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Machbarkeit mit und in der ästhetischen Chirurgie

Olena Besserer
[Forum Gemeindepsychologie, Jg. 23 (2018), Ausgabe 1]

 

Zusammenfassung

Immer mehr Menschen sind mit ihrem Erscheinungsbild unzufrieden, haben das Gefühl, sie können und müssen ihren Körper selbst gestalten und wenden sich an einen ästhetischen Chirurgen. Auf welche gesellschaftlichen und privaten Prozesse lässt sich diese Entwicklung zurückführen? Liegt die Entscheidung für oder gegen einen ästhetischen Eingriff in der Hand des Individuums oder wird diese von der Gesellschaft diktiert? Welche Rollen werden einem Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie zugeschrieben? Welche Motive liegen ästhetischen Eingriffen zugrunde und welche Wirkung verspricht, aktuellen Studien zufolge, die ästhetische Chirurgie? Welche Bedürfnisse liegen hinter dem Wunsch nach einem ästhetischen Eingriff? Es werden sowohl die Eigenverantwortlichkeit aller Akteure als auch die Notwendigkeit der Einbeziehung von psychotherapeutischer Begleitung ästhetischer Chirurgie in Betracht gezogen.

Schlüsselwörter: Machbarkeit, menschliche Bedürfnisse, psychotherapeutische Begleitung ästhetischer Operationen

Summary

Feasibility with and in aesthetic surgery
More and more people are dissatisfied with their appearance, they feel they can and must design their own body shapes and turn to aesthetic surgery. What are the social and private processes that can be traced back to this development? Does the decision for or against an aesthetic intervention lie in the hands of the individual or is it dictated by society? What are the roles of a specialist in plastic and aesthetic surgery? What is the motivation for aesthetic procedures and what are the effects promised by aesthetic surgery according to recent studies? What are the needs behind the desire for an aesthetic intervention? This article considers both the self-responsibility of all actors as well as the necessity of the inclusion of psychotherapeutic support of aesthetic surgery.

Keywords: feasibility, human needs, psychotherapeutic assistance of aesthetic surgery



"Elefanten versuchen nicht, Giraffen oder Schwalben zu werden. Radieschen versuchen nicht, Rote Bete zu werden. Aber wir versuchen zu sein, was wir nicht sind. Wir ersticken in unseren Idealen, die unerreichbar sind oder die nur auf unsere eigenen Kosten erreicht werden können. Wir gehen auf Zehenspitzen, um nur ja nirgendwo anzustoßen, und werden schließlich ärgerlich auf unsere Zehen, wenn sie uns weh tun."
Bruno-Paul de Roeck

Einführung

Im Zentrum dieses Beitrags steht die kritische Reflektion der aktuellen Entwicklung in der Medizin, Wissenschaft und Gesellschaft im Zusammenhang mit ästhetischer Chirurgie. Der Artikel hat zum Ziel, sowohl Klienteninnen1 und deren Angehörige als auch Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie, Psychologen und Psychotherapeuten für das Thema "Machbarkeit mit und in der ästhetischen Chirurgie" zu sensibilisieren. Ästhetische Chirurgie hat in vielen Fällen ihre volle Berechtigung und verhilft einigen Betroffenen zu sozialer Integration sowie zu einem zufriedenen Leben. Gleichzeitig verändert sie unsere Wahrnehmung von der Attraktivität sowie natürlichen Alterungsprozessen und bietet den Betroffenen oft falsche Versprechungen an. Als Psychologin lade ich alle Akteure dazu ein, sich ihrer Eigenverantwortung bewusst zu werden. Eine empathische sowie intensive Zuwendung sollten Basis einer gründlichen Erforschung der Motive einer Patientin1, 2 sein. Mit psychologischer und gegebenenfalls psychotherapeutischer Begleitung sollten vorab die tatsächlichen Hintergründe und wahren Bedürfnisse eines Interessenten für einen ästhetischen Eingriff identifiziert werden. Es ist notwendig, den Wunsch nach einem ästhetischen Eingriff fundiert zu erforschen und die Wahrnehmung für die möglichen Auswirkungen einer solchen Entscheidung zu schärfen.

Aktuelle Entwicklung

Die Zahl der Menschen, die sich einem ästhetischen Eingriff unterziehen, nimmt in den letzten Jahren stetig zu. Die International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS) veröffentlicht seit dem Jahr 2010 Statistiken, die eine starke Zunahme der chirurgischen und minimalinvasiven ästhetischen Behandlungen in 24 (2010 in 25) Ländern zeigt (ISAPS, 2010, 2011, 2017). Sowohl im Jahr 2010 als auch im Jahr 2016 wurden die meisten Schönheitseingriffe in den USA und Brasilien gemacht. Deutschland ist im Ranking der ISAPS im Jahr 2010 mit insgesamt 415448 ästhetischen Eingriffen auf Platz 11, im Jahr 2016 mit insgesamt 730437 ästhetischen Behandlungen auf Platz 9 zu finden.

Zu den drei beliebtesten ästhetischen Operationen in Deutschland gehören Brustaugmentation (Brustvergrößerung), Augenlidstraffung und Fettabsaugung. Aus den Statistiken der Jahre 2011 und 2017 von ISAPS für Deutschland sind folgende Trends erkennbar: Die Anzahl der Brustaugmentationen ist um 42 %, Fettabsaugungen um 38 % und Augenliedstraffungen um 133 % gestiegen. Da viele Eingriffe im Ausland und von weiteren Ärztegruppen durchgeführt werden, ist die tatsächliche Zahl der ästhetischen Behandlungen unbekannt und naturgemäß höher als die oben genannten Zahlen.

Die zwei häufigsten minimalinvasiven ästhetischen Eingriffe, die vor allem der Reduktion altersbedingter Veränderungen dienen, sind Injektionen mit Botulinumtoxin und Faltenunterspritzung mit Hyaluronsäuerepräparaten. Die Zahl dieser ästhetischen Interventionen ist zwischen 2010 und 2016 um mehr als 100 % gestiegen (ISAPS, 2010, 2011, 2017). Diese Entwicklung kann dadurch begründet sein, dass sowohl Botulinumtoxin- als auch Hyaluronsäuerebehandlungen regelmäßig nachgespritzt werden müssen, um sichtbare Effekte zu bekommen. Zudem werden diese ästhetischen Eingriffe oft als harmlose kosmetische Prozeduren dargestellt und wahrgenommen. Die tatsächliche Zahl der Faltenunterspritzungen ist schwer festzustellen, da es zum einen eine Vielfalt von minimalinvasiven ästhetischen Eingriffen gibt und zum anderen diese Injektionen sowohl von anderen Ärztegruppen als auch von Heilpraktikern und unbefugten Kosmetikern angeboten werden.

Die aktuelle Statistik spiegelt zudem eine besorgniserregende Entwicklung wider, in der immer mehr Jugendliche zu Nutzerinnen ästhetischer Chirurgie werden. So sind 8,3 % aller in Deutschland gemachten Brustvergrößerungen an Patientinnen durchgeführt worden, die zum Zeitpunkt der Operation 17 Jahre alt oder jünger waren (ISAPS, 2017). Ein Trend, der zum Nachdenken im Hinblick auf die Auswirkungen der Niederschwelligkeit der Schönheitsoperationen auf Jugendliche zwingt. Junge Menschen befinden sich in ihrer Körperwahrnehmungs- und Persönlichkeitsentwicklung und sind besonders empfindlich für Einflüsse von außen. Welche Verantwortung trägt dabei jeder Facharzt3 für plastische und ästhetische Chirurgie und jeder Nutzer ästhetischer Chirurgie? Welche Werte, welche Sicht auf den eigenen Körper, welche Einstellungen zum Alter und Älterwerden sowie zu den natürlichen persönlichen Unterschieden im Aussehen wollen wir unserer nächsten Generation vermitteln?

Ästhetischer Chirurg: Arzt, Dienstleister oder Psychotherapeut?

Welche Anforderungen von politischer und gesetzgebender Seite muss ein Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie erfüllen? Welche Erwartungen haben die Patientinnen? Ist ein Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie ein Arzt, ein gewinnorientierter "gewerblicher Dienstleister" (Bimbacher et al., 2012, S. 2001) oder ein Psychotherapeut? Sind diese unterschiedlichen Anforderungen zu erfüllen?

Nach einem Beschluss des Ärztetages wird im Jahr 2005 der Facharzttitel "Facharzt für plastische Chirurgie" um den Zusatz "ästhetische Chirurgie" ergänzt. Der Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie verfügt über eine sechsjährige Weiterbildung, die sowohl eine zweijährige Basisweiterbildung im Bereich Chirurgie als auch eine vierjährige Spezialisierung auf dem Gebiet der plastischen und ästhetischen Chirurgie beinhaltet. Im Verlauf der Weiterbildung führt ein ästhetischer Chirurg selbständig unter Anleitung eines Facharztes über 600 Eingriffe durch und legt anschließend eine Facharztprüfung ab (VDÄPC, 2013).

Sowohl von politischer als auch von gesetzgebender Seite als auch von Patientinnen wird von einem Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie in erster Linie erwartet, dass er entsprechend seines ärztlichen Berufes handelt. Dies beinhaltet ein gründliches evidenzbasiertes medizinisches Fachwissen, chirurgische Fertigkeiten, Entscheidungskompetenz für eine angemessene und gesundheitsschonende Behandlung, Risikoeinschätzung der möglichen Komplikationen, Beachtung der Patientenautonomie, gründliche Aufklärung der Patientinnen und Verantwortungsübernahme für sein Handeln. Nach § 1 der Bundesärzteordnung dient der Arzt "der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes". Der ärztliche Beruf "ist kein Gewerbe. Er ist seiner Natur nach ein freier Beruf" (Bundesärztekammer, 2015, S. 2). Demzufolge erbringen die Ärzte aufgrund ihrer besonderen beruflichen Qualifikation "persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Dienstleistungen höherer Art" im Interesse ihrer Patienten und der Allgemeinheit (Bundesverband der Freien Berufe, 2013). Die Aufgabe des Arztes besteht gemäß § 1 der Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte darin, "[…] das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken" (Bundesärztekammer, 2015, S. 2). Diese Anforderungen können von einem Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie nur begrenzt erfüllt werden. Bei den Eingriffen, die weder eine medizinische noch eine psychische Indikation beinhalten und allein auf dem Wunsch der Klientin, ihre Attraktivität zu steigern oder altersspezifische Veränderungen zu reduzieren sowie auf dem persönlichen ästhetischen Empfinden des Arztes beruhen, handelt der Arzt als "gewerblicher Dienstleister" (Bimbacher et al., 2012) im Medizinbereich und dementsprechend im Widerspruch zu seinen ärztlichen Aufgaben. Dieser Widerspruch besteht nicht nur darin, dass der Arzt die einzelne Klientin bestimmten gesundheitlichen und psychischen Risiken ohne medizinische Notwendigkeit aussetzt, sondern gleichzeitig auch bei der Veränderung von "Schönheitsnormen" und bei der "Glorifizierung der Jugendlichkeit" (Maio, 2007, S. 193) und, was noch gravierender ist, bei der Pathologisierung der natürlichen Alterungsprozesse mitwirkt. Sein Handeln impliziert somit eine Herabsetzung weniger attraktiver sowie älterer Menschen und kann daher die psychische Gesundheit und das Wohlergehen der Allgemeinbevölkerung negativ beeinflussen.


Besteht ein erhebliches psychisches Leiden seitens der Patientin, so versucht der Arzt zwar, ihre psychische Gesundheit zu schützen, indem er sich bemüht, den an ihn gestellten, meist impliziten, psychotherapeutischen Auftrag zu erfüllen, setzt aber durch den operativen Eingriff gleichzeitig die Gesundheit der Patientin erheblichen Risiken aus und handelt somit seinen ärztlichen Aufgaben entgegen. An dieser Stelle muss auch die Machbarkeit in Bezug auf die Erfüllung von Patientenwünschen hinterfragt werden. Gemäß dem Arztvertrag zur Durchführung einer kosmetischen Operation, "in der Regel ein Dienstvertrag über höhere Dienste, §§ 611, 627 BGB" (Stock, 2009, S. 326), schuldet der Arzt seiner Arbeit keinen bestimmten Erfolg (z. B. Verbesserung des Erscheinungsbildes oder Reduktion des psychischen Leidens), sondern ist nur zum ärztlichen Bemühen durch Einhalten anerkannter medizinischer Standards verpflichtet (Damm, 2010; Stock, 2009). Diese Verpflichtung beinhaltet das medizinische Handeln des Arztes und keine psychotherapeutische Intervention, da dies nicht seinem Fachgebiet entspricht. Darüber hinaus bietet ein Beratungsgespräch von durchschnittlich 45 Minuten (vgl. Verbraucherzentrale Hamburg, 2010) keinen ausreichenden Zeitrahmen, um neben einer angemessenen medizinischen und wirtschaftlichen Risikoaufklärung auch noch mögliche kontraindizierte psychische Erkrankungen aufzudecken und auszuschließen, die psychische Belastbarkeit der Patientin einzuschätzen, ihre Motivation kritisch zu hinterfragen und die durch die ästhetisch-chirurgische Intervention zu erwartenden psychischen Vorteile abzuwägen. Zudem kommt, dass diese Aufgabe ein ästhetischer Chirurg nach regulärer Facharztausbildung nur teilweise erfüllen kann, da er sein psychopathologisches Wissen in der Regel aus wenigen Kursen bezieht. Die Richtlinien der bayerischen Landesärztekammer (2016, S. 16) über den Inhalt der Weiterbildung zum Facharzt/Fachärztin für plastische und ästhetische Chirurgie beinhaltet zwar die Notwendigkeit des Erwerbs von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in psychologischer Exploration zum Erkennen von "psychogenen Symptomen, somatopsychischen Reaktionen und psychosozialen Zusammenhängen bei angeborenen Fehlbildungen, erworbenen Defekten und ästhetisch-kosmetischen Eingriffen", machen aber keine Angaben bezüglich der Dauer und Intensität der Aneignung solcher Inhalte. Die Diagnosestellung in Bezug auf psychische Belange wird also meist auf der Basis eines mäßigen psychopathologischen Wissens und eines Mangels an dazu benötigter Zeit und geeigneten Diagnostikinstrumenten vorgenommen. Es kommt dazu, dass die langfristige psychologische Wirkung nach einer ästhetischen Operation wenig erforscht ist. Neue Studien zeigen erste Indizien dafür, dass nach einem ästhetischen Eingriff mit weiteren psychischen Risiken wie Zunahme an Selbstmordversuchen, Essstörungs-, Angst- und Depressionssymptomen und einem erhöhten Alkoholkonsum zu rechnen ist (Lipworth et al., 2007; Pukkala et al., 2003; Soest et al., 2012; Villeneuve et al., 2006).

Insgesamt ist ersichtlich, dass es für einen Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie nicht machbar ist, diesen verschiedenen und oft einander widersprechenden Rollen und Erwartungen mit zugewiesenen und eigenen Wert- und Berufsvorstellungen in Einklang zu bringen, ohne einen eigenen beruflichen, ethischen, finanziellen, rechtlichen oder gesundheitlichen Schaden zu nehmen.

Individuelle oder soziokulturelle Motive?

Die Betrachtung aktueller Zahlen ästhetischer Eingriffe führt zu der Frage, welche gesellschaftlichen und individuellen Prozesse für diese verantwortlich sind. Sind es individuelle unerreichbare Schönheitsideale, die Menschen mit ihrem eigenen Erscheinungsbild unzufrieden machen?

Ein Schönheitsideal ist kein isoliertes, allgemeingültiges und statisches Empfinden. Was als schön empfunden wird, hängt von individuellen und soziokulturellen Aspekten ab. Schönes wird oft als etwas Besonderes, nicht jedem Zugängliches, von dem Durchschnitt Abweichendes empfunden. Diese Ideale variieren sowohl in verschiedenen zeitlichen, sozialen und kulturellen Bereichen als auch in verschiedenen persönlichen Lebensräumen. In Zeiten, in denen Nahrungsmangel herrscht, gilt ein fülliger Körper als schön und gesund. Leben die Menschen dagegen im Überfluss, sehen sie Schlankheit als Ideal. In der heutigen Zeit wird in Europa eine weiße, große, sportliche, aber nicht übermäßig muskulöse oder extrem dünne Frau mit einem großen Busen als besonders schön empfunden (Boeger, 2010). Dieses Ideal, dem tatsächlich nur wenige Frauen entsprechen, wird angestrebt.

Die rasante Entwicklung der Technik und der Medizin, die ständig wachsende Zahl an exzellent ausgebildeten Fachärzten für plastische und ästhetische Chirurgie sowie die finanzielle Niederschwelligkeit ästhetischer Operationen tragen zu der wahrgenommenen Machbarkeit in Bezug auf die Erreichbarkeit introjizierter Schönheitsideale bei. Dazu kommt, dass immer mehr neue medizinische Produkte auf den Markt kommen, die von den Produzenten aktiv beworben und mit Unterstützung der Fachärzte verbreitet werden. Zudem werden die Ergebnisse der Attraktivitätsforschung, wonach attraktiven Menschen zahlreiche positive persönliche, soziale oder gesundheitliche Eigenschaften zugeschrieben werden, nicht selten so verstanden, dass manche ihr Aussehen als Mittel zum Zweck betrachten, um bestimmte berufliche oder persönliche Ziele zu erreichen oder um negative Folgen eines unattraktiven oder "alten" Aussehens zu vermeiden. Hier spricht die Fachliteratur von Body-Enhancement. Damit sind solche Eingriffe bezeichnet, die die menschliche Gestalt oder Leistungsfähigkeit über das Maß hinaus verbessern sollen (Juengst, 2009, zit. nach Kettner, 2012, S. 23). Solche Interessentengruppen wollen das eigene Aussehen verändern, ohne dabei mit sich selbst unzufrieden zu sein oder ohne das erhebliche psychische Leiden zu empfinden.

Die Massenmedien spielen sowohl bei der Entwicklung der Schönheitswahrnehmung in der Gesellschaft als auch bei der individuellen Entwicklung des Körperbildes eine sehr große Rolle und geben somit das Versprechen der Machbarkeit mithilfe ästhetischer Chirurgie weiter.

Zu den wichtigsten individuellen körperbezogenen Determinanten in der ästhetischen Chirurgie zählt das Körperbildkonstrukt. Es spielt sowohl bei der Betrachtung der Motive der Patientinnen sowie bei der Bewertung des Erfolgs eines ästhetischen Eingriffs eine zentrale Rolle. Was wird unter dem Begriff Körperbild verstanden? Wie entsteht das Körperbild und welche Rolle spielt dieses Konstrukt in der ästhetischen Chirurgie?

Unter dem Begriff Körperbild werden "das formale Wissen, die Fantasien/ Gedanken/ Einstellungen/ Bewertungen und Bedeutungszuschreibungen im Hinblick auf den eigenen Körper verstanden. Diese Aspekte sind vornehmlich persönlichkeitspsychologisch zu erfassen (interpersonale, biografische Faktoren), unterliegen zudem in hohem Maß soziodemografischen (Sozial- und Bildungsstatus) Einflüssen. Für den Aspekt der Einstellungen und Bewertungen ist weiterhin der jeweilige kulturelle Kontext mit den spezifischen körperbezogenen sozialen Umgangsformen und normativen Determinanten besonders zu berücksichtigen" (Röhricht et al., 2005, S. 5). Das Körperbild verändert sich im Laufe des Lebens stetig und wird den altersspezifischen und biographischen Körperveränderungen angepasst (Langer & Wimmer-Puchinger, 2011). Die Entstehung des Körperbildes wird von mehreren Faktoren beeinflusst; zu den wichtigsten gehören die kulturelle Sozialisation (d. h. all die soziokulturellen Vorstellungen über den menschlichen Körper und über die Bedeutung des menschlichen Erscheinungsbildes, die in einer bestimmten Kultur verbreitet und als eine gesellschaftliche Norm erwartet werden), zwischenmenschliche Erfahrungen, vor allem in der Primärfamilie und zwischen Gleichaltrigen, physische Eigenschaften und Veränderungen (z. B. chronische Krankheit, Behinderung, Übergewicht oder Veränderungen während der Pubertät oder Schwangerschaft) sowie Persönlichkeitsfaktoren (z. B. großes Engagement für form- und gewichtsbezogene Maßnahmen, soziale Angst, Internalisierung des soziokulturellen Schlankheitsideals, frühe körperliche Reife, sexueller Missbrauch in der Vorgeschichte) (Cash, 2005). Somit wird das individuelle Körperbild sowohl von persönlichen Faktoren und Gegebenheiten als auch von äußeren sozialen und kulturellen Einflussfaktoren geformt. Zu den Resilienzfaktoren, d. h. zu den Faktoren, die das Körperbild vor negativen Einflüssen schützen, gehören: wahrgenommene Akzeptanz durch die Eltern, Spätreife in der Pubertät, Zufriedenheit mit der eigenen Geschlechterrolle, positives physisches Selbstkonzept, d. h. positive Einstellungen gegenüber der eigenen Gesundheit, Fitness und Beweglichkeit, der Glaube an Gott, effektive Bewältigungsstrategien (wie kritisches Denken in Bezug auf soziokulturelle Erwartungen und Normen, Stressbewältigungsstrategien und Durchsetzungsvermögen), Gefühl des Gleichgewichts zwischen spirituellen, emotionalen, intellektuellen und körperbezogenen Anteilen des Lebens (Barker & Galambos, 2003; Choate, 2005; Homan, 2012; Ohring et al., 2002).

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die aktuelle Entwicklung in der ästhetischen Chirurgie sowohl von individuellen als auch von soziokulturellen Faktoren beeinflusst wird, die wiederum in einer ständigen gegenseitigen Wechselwirkung zueinander stehen.

Motive und Bedürfnisse von Patientinnen

Welche Motive wecken das Interesse an einem ästhetischen Eingriff? Welche Ziele werden mit einer Schönheitsoperation verfolgt? Mit welchem Ergebnis wird gerechnet?

Das Spektrum der Motive für ästhetisch-chirurgische Eingriffe ist groß und wird in aktuellen Studien gut beleuchtet. Häufig wird zwischen internen bzw. "internalen", d. h. selbst gesteuerten, und externen bzw. "externalen" (Borkenhagen & Brähler, 2014, S. 46), d. h. von außen geleiteten Motiven unterschieden. Eine klare Trennung zwischen internen und externen Motiven ist selten möglich, da diese gleichzeitig genannt werden und sich gegenseitig beeinflussen können (Sarwer, 2007). Interne Motive (z. B. eigene Unzufriedenheit mit der Form der Nase) gelten in der ästhetisch-chirurgischer Praxis als legitim, da intern motivierte Patientinnen meist mit realistischen Erwartungen und postoperativer Zufriedenheit assoziiert werden. Externe Motive (z. B. eine Brustaugmentation, um dem begehrten Partner zu gefallen oder einen Job zu bekommen) dagegen zeigen sich seltener als ausreichender Grund für eine ästhetische Operation und sind häufig mit unrealistischen Erwartungen der Patienten und einer niedrigen postoperativen Zufriedenheit verbunden (Sarwer, 2005).

Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper oder mit einer bestimmten Körperregion ist ein zentrales und gleichzeitig ein notwendiges Motiv für einen ästhetischen Eingriff (Crerand et al., 2007; Javo & Sørlie, 2010; Markey & Markey, 2009; Sarwer, 2011). Außerdem zählen Normalisierung4, der Wunsch nach einer idealen Figur, die vor allem durch die Medien vermittelt wird, mangelnde Integrität des Körpers, ein negatives soziales Feedback bezüglich des Aussehens generell oder bezüglich des Aussehens bestimmter Körperregionen, der Wunsch, jünger auszusehen, das Gefühl, für den Partner nicht attraktiv zu sein, Einschränkungen bei der Kleidungsauswahl, niedriges Selbstwertgefühl und geringes Selbstvertrauen, der Wunsch nach Verbesserung des psychischen Wohlbefindens und die Hoffnung auf mehr Erfolg bei der Suche nach einem potenziellen Partner sowie erwartete Vorteile im Berufsleben zu den weiteren Motiven für eine ästhetische Körpermodifikation (Adams, 2010; Javo & Sørlie, 2010; Korczak, 2007; Markey & Markey, 2009; Nikolic et al., 2013; Sorice et al., 2017; Thorpe et al., 2004; Totis, 2010; Unterdorfer et al., 2009). Mit Sicherheit existieren neben den hier genannten Motiven weitere individuell und soziokulturell gefärbte Beweggründe für Schönheitsoperationen. Auch in Abhängigkeit von der Art des ästhetischen Eingriffs, dem Geschlecht und dem Alter zeigen Patientinnen ästhetischer Chirurgie deutliche motivationale Unterschiede.

Während in der Forschung und im ästhetisch-chirurgischen Alltag sehr viel Aufmerksamkeit den Motiven der Patientinnen gewidmet wird, werden wahre Bedürfnisse eines Menschen, der sich einem ästhetischen Eingriff unterzieht oder unterziehen will, wenig beachtet. Obwohl Begriffe Motive und Bedürfnisse oft synonym verwendet werden ist es an dieser Stelle wichtig, die Unterschiede dieser Begriffe zu betonen. Der Begriff Bedürfnis stellt ein physiologisches und psychologisches Ungleichgewicht dar, ein Mangelempfinden. Dieses Empfinden strebt nach dem Ausgleich des Mangels. Motive kennzeichnen dagegen einen Beweggrund für das Verhalten, der aus Bedürfnissen entsteht. Bedürfnisse sind somit Motiven vorgelagert und sind nur schwer bewusst zugänglich. Zum Verständnis der Breite der Bedürfnisse möchte ich zwei theoretische Konzepte hinzuziehen. Zum einen die dynamische Feldtheorie von Kurt Lewin, zum anderen die Bedürfnishierarchie von Maslow.

Laut Lewin (1952) existieren Menschen immer innerhalb von Beziehungssystemen. Um Motive und Bedürfnisse einer Klientin ästhetischer Chirurgie zu verstehen, müssen die Kräfte analysiert werden, die in der Gegenwart auf diese eine Person einwirken. In welcher subjektiven Wirklichkeit keimt und wächst der Wunsch, sich einem ästhetischen Eingriff zu unterziehen? Das heißt, die Gesamtsituation muss betrachtet werden, die in Lewins Feldtheorie als Feld oder Lebensraum genannt wird. Das Feld besteht aus allen gemeinsam existierenden persönlichen und Umweltfaktoren, die in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander stehen. Die subjektive Repräsentation der Umwelt wird durch verschiedene persönliche Faktoren wie Werte, Bedürfnisse, Einstellungen und Motive beeinflusst, die sozial, historisch und kulturell gefärbt sind. Lewins Feld stellt somit eine räumliche Repräsentation der psychologischen Wirklichkeit einer Person dar (Lewin, 1952). In der psychologischen Begleitung ästhetischer Chirurgie bietet die Feldtheorie eine Grundlage, sich mit der komplexen Wirklichkeit des Menschen auseinander zu setzen. Welche Motive hat die Patientin und welche Bedeutung, Hoffnung und Erwartungen schreibt sie und ihre Umgebung einem ästhetischen Eingriff zu? Welche Bedürfnisse stehen hinter dem Wunsch nach einem ästhetischen Eingriff? Können diese Bedürfnisse mithilfe ästhetischer Chirurgie erfüllt werden? In diesem Prozess können sowohl soziale, kulturelle und lebensgeschichtliche Komponenten sowie die aktuelle persönliche Bewertung betrachtet als auch daraus resultierende Motive, Einstellungen und Bedürfnisse analysiert werden. Worauf bezieht sich die Unzufriedenheit? Wie nimmt die Klientin diese Unzufriedenheit wahr? In welchen sozialen Situationen kommt diese Unzufriedenheit zum Vorschein, in welchen nicht? In welchen primären Beziehungen ist die Unzufriedenheit spürbar? Was will diese Unzufriedenheit dem Klienten sagen?

Den Wunsch nach einem ästhetischen Eingriff sehe ich als ein Symbol eines unerfüllten Bedürfnisses. Dieses Bedürfnis kann bei jedem Menschen unterschiedlich sein und auch aus der Sicht der Bedürfnishierarchie unterschiedlichen Ebenen zugeordnet werden. Nach den klassischen fünf Ebenen5 der Maslowschen Bedürfnispyramide können Bedürfnisse bei näherer Betrachtung eines Motivs, wie z. B. "der Wunsch, jünger auszusehen", sich auf der Ebene der sozialen Bedürfnisse (z. B. Bedürfnis nach Liebe und Zugehörigkeit) und/oder auf der Ebene der Individualbedürfnisse (z. B. je nach beruflichem und sozialem Kontext, Bedürfnis nach Erfolg oder Prestige), auf der Stufe der Sicherheitsbedürfnisse (z. B. Bedürfnis nach Kontrolle, was oft im Zusammenhang mit Missbrauchserfahrungen zu beobachten ist) und/oder auf der Ebene der physiologischen Bedürfnisse (z. B. sexuelle Bedürfnisse) befinden.

Warum ist es wichtig, sich mit den Bedürfnissen der Klientinnen zu beschäftigen? Die genaue Erforschung der Bedürfnisse ist eine Voraussetzung für die "Machbarkeit" (im Sinne des Erfüllens des gestellten Auftrags wie z. B. Linderung des psychischen Leidens) in der ästhetischen Chirurgie. Damit ist gemeint, dass der Klientin ermöglicht wird, mithilfe psychotherapeutischer Begleitung eigene Bedürfnisse zu erkennen, kennenzulernen, zu differenzieren und diese entsprechend und möglichst auf dem direkten Weg mit oder ohne ästhetische Chirurgie zu befriedigen. Entscheidet sich die Patientin bewusst für einen ästhetischen Eingriff, so ist es wichtig, die inneren Einstellungen und Erwartungen der Patientin in Dialog zu dem zu verändernden Körperteil zu bringen, für die präoperative Freude, Ängste und Zweifel einen Platz zu finden, postoperativen Schmerz mit Sinn zu füllen und den veränderten "neuen" Körperteil mit allen begleitenden Gefühlen zu integrieren.

Grenzen der Machbarkeit

Werden die Erwartungen der Patienten ästhetischer Chirurgie erfüllt? Werden Menschen nach einem ästhetischen Eingriff zufriedener mit ihrem eigenen Aussehen und ihrem eigenen Leben?

Die aktuelle Studienlage präsentiert sich in Bezug auf postoperative Veränderungen, die Art der ästhetischen Eingriffe, die Zusammensetzung und Größe der Stichproben, die Messinstrumente sowie die erfassten postoperativen Zeiträume als sehr heterogen. Das Follow-up der überwiegenden Anzahl der Studien liegt zwischen drei und zwölf Monate nach der Operation. Somit können lediglich Aussagen über kurzfristige Veränderungen gemacht werden. Die meisten Studien konzentrieren sich auf die wahrgenommene postoperative Zufriedenheit, auf Veränderungen im Körperbild, auf Lebensqualität und Wohlbefinden. Die zentralen Begriffe werden in den jeweiligen Untersuchungen teilweise unterschiedlich definiert und mit verschiedenartigen Messinstrumenten erhoben, so dass ein Vergleich von Studien oder eine Generalisierung der Ergebnisse kaum möglich ist. Dennoch lassen sich aktuell folgende Gemeinsamkeiten erkennen:
Frauen nach einer Brustreduktion erweisen sich als zufriedenste postoperative Gruppe der Patientinnen ästhetischer Chirurgie. 86 bis 97 % der Frauen nach einer Brustreduktionsplastik sind mit dem Ergebnis der Operation sehr zufrieden. Diese Patientengruppe berichtet sowohl über die Reduktion der negativen physischen Symptome als auch über die positive Veränderung ihres Körperbildes (Honigman et al., 2004; Soest et al., 2009).

Einige Studien mit Frauen nach einer Brustaugmentation deuten auf positive postoperative Veränderungen in der wahrgenommenen Attraktivität, dem Selbstwertgefühl, der wahrgenommenen sexuellen Attraktivität, der wahrgenommenen Weiblichkeit und der Ernährungsgewohnheiten hin (Kalaaji et al., 2013; Murphy et al., 2009; Penaud & De Mortillet, 2013; Saariniemi et al., 2012; Soest et al., 2009). Im Gegensatz dazu weisen Soest und Kollegen (2012) in einer prospektiven Langzeituntersuchung auf negative Effekte einer Brustaugmentation hin. Die Ergebnisse sprachen zwar für eine Zufriedenheit der Patientinnen mit dem postoperativen Ergebnis, jedoch nicht für eine Zufriedenheit mit dem allgemeinen Erscheinungsbild. Darüber hinaus zeigt die Studie eine Zunahme an Selbstmordversuchen, Essstörungen, Angst- und Depressionssymptomen sowie einen erhöhten Alkoholkonsum bei Frauen nach einer ästhetischen Brustaugmentation im Vergleich zu nicht operierten Frauen.

Andere Untersuchungen, die keine Spezifizierung in Bezug auf ästhetische Eingriffe vornehmen, zeigen, dass eine ästhetische Operation bei der Mehrheit der Patientinnen neben einer hohen Zufriedenheit mit dem postoperativen Ergebnis eine signifikante Verbesserung in Bezug auf das psychische Wohlbefinden, auf die Zufriedenheit mit dem Ergebnis der Operation und auf die Selbsteinschätzung der Attraktivität bewirkt, jedoch keine signifikante Veränderung in Bezug auf die depressive Symptomatik oder das Selbstwertgefühl hervorruft (Honigman et al., 2004; Korczak, 2007; Sarwer et al., 2008; Soest et al., 2011).

Diese Erkenntnisse zeigen deutlich die Grenzen der Machbarkeit ästhetischer Chirurgie: Schönheitsoperationen sind ohne psychologischer und/oder psychotherapeutischer Begleitung nicht ausreichend und in vielen Fällen (z. B. aktuelle psychopathologische Symptomatik, Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild oder Selbstwertproblematik) nicht dazu geeignet, das psychische Leiden der Patientin zu lindern oder mehr Zufriedenheit mit dem eigenen Körper zu verschaffen.

Abschließende Überlegungen

Medien und Medizin wecken das Interesse an der ästhetischen Chirurgie und vermitteln den Interessentinnen das Gefühl der Machbarkeit. Alles ist möglich, jede Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen ist mithilfe ästhetischer Chirurgie behebbar. Der Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie muss sich in jedem individuellen Fall entscheiden, ob er als Dienstleister, Arzt oder Psychotherapeut handelt. Die Vereinbarkeit dieser unterschiedlichen Erwartungen ist kaum zu erreichen. Eine kontinuierliche Fallberatung sowie Supervision können zur Entlastung der Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie sowie zur Qualitätssicherung deren Arbeit eingesetzt werden. Die Weiterbildung zum Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie sollte sowohl in Bezug auf gründliches psychologisches und psychopathologisches Wissen als auch auf die Reflexion von medizinisch-technisch Machbarem und ethisch vertretbarem Handeln überprüft und weiterentwickelt werden. Neue Forschungsergebnisse liefern Hinweise dafür, dass ästhetisch-chirurgische Maßnahmen langfristig keinen Einfluss auf das Körperbild haben, wodurch die Prämissen ästhetischer Chirurgie und die psychotherapeutische Rolle des ästhetischen Chirurgen in Frage gestellt werden. Mit ihrer Entscheidung für einen ästhetischen Eingriff tragen die einzelnen Akteure die Verantwortung für das gesellschaftliche Verständnis von Schönheit und Alter mit. Der Erfolg jeder ästhetischen Operation hängt davon ab, wie sie psychisch und seelisch bewältigt wird. Indem ästhetische Chirurgie psychologisch und/oder psychotherapeutisch begleitet wird, steigt die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Zufriedenheit der Patientinnen ästhetischer Chirurgie. Weitere wichtige psychologische Aspekte einzelner ästhetischer Eingriffe und psychopathologischer Kontraindikationen6, Gender- und Altersbesonderheiten, Zusammenhänge mit früheren Erfahrungen der Patientinnen sowie soziale und kulturelle Besonderheiten müssen in zukünftigen Untersuchungen genauer erforscht werden.

Endnoten

  1. Die in dem vorliegenden Artikel verwendeten Begriffe Klientin und Patientin beziehen sich aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf alle Geschlechter. Es wird explizit genannt, falls nur auf ein Geschlecht Bezug genommen wird.
  2. Bei der Beschreibung von Personen, die ästhetische Chirurgie nutzen, werden aus Gründen der erschwerten Begriffsabgrenzung im Rahmen dieser Arbeit Klientin und Patientin als Synonyme verwendet.
  3. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und der Tatsache, dass die Mehrheit der Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie männlich ist (vgl. Bundesärztekammer, 2016), wird in der vorliegenden Arbeit die männliche Form des Begriffs Arzt gewählt, wobei immer Ärzte aller Geschlechter gemeint sind.
  4. Dahinter verbirgt sich der Wunsch, durch das äußere Erscheinungsbild nicht aufzufallen (z. B. durch tatsächliche oder wahrgenommene auffallende "normabweichende" Körperteile oder durch bestimmte Körpermerkmale, anhand derer die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe ersichtlich wird) und sich den wahrgenommenen soziokulturellen Schönheitsidealen anzupassen.
  5. Hiermit sind die fünf klassischen Hierarchieebenen gemeint: physiologische Grundbedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, Individualbedürfnisse sowie Selbstverwirklichung.
  6. Nach aktuellen Forschungsergebnissen erweisen sich psychische Erkrankungen wie körperdysmorphe Störung und schwere Depression als kontraindiziert für ästhetisch-chirurgische Eingriffe (Soest et al., 2011; Tignol et al., 2007).

Literatur

Adams, J. (2010). Motivational narratives and assessments of the body after cosmetic surgery. Qualitative Health Research, 20 (6), 755-767.

Barker, E. T. & Galambos, N. L. (2003). Body dissatisfaction of adolescent girls and boys: risk and resource factors. Journal of Early Adolescence, 23 (2), 141-165.

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Autorin

Olena Besserer
Olena.Besserer@bitte-keinen-spam-gmx.de

Diplom-Psychologin, Studium der klinischen Psychologie und Psychotherapie sowie klinischen Entwicklungspsychologie an der LMU München, Diplomarbeit: "Psychologische Aspekte ästhetischer Chirurgie", Heilpraktikerin für Psychotherapie (HPG), derzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Klinikum rechts der Isar München, Ausbildung in Gestalttherapie am IGW (Institut für Integrative Gestalttherapie Würzburg).
Schwerpunkte: Chancengleichheit und familienfreundliche Wissenschaft, psychologische Aspekte ästhetischer Chirurgie, Gestalttherapie.



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