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Erfolgsmuster für gemeinschaftliche Resilienz und Innovation: Die Bedeutung kollektiven impliziten Wissens in globalen Krisen

Wolfgang Stark

[Forum Gemeindepsychologie, Jg. 28 (2023), Ausgabe 1]

 

„Alles, was zählt, ist die Intuition.

Der intuitive Geist ist ein Geschenk, der rationale Geist ein treuer Diener.

Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.”

(Albert Einstein)

 

Zusammenfassung

Nicht nur die globale COVID-19 Pandemie, sondern zahlreiche weitere globale Krisen (Klimawandel, soziale Ungleichheit, Krieg und bewaffnete Konflikte etc.) haben in den letzten Jahren eindrücklich gezeigt, dass Gemeinschaften, Organisationen und soziale Systeme mit zunehmender Komplexität und wachsenden Unsicherheiten und Ambiguitäten umgehen müssen.

Dieser Beitrag geht der Frage nach, auf Basis welcher Elemente gemeinschaftliche Resilienz entsteht und wie der Umgang mit Unsicherheit und Ambiguität positiv genutzt werden kann. Die Widersprüchlichkeit zwischen rationalem Prozessdenken des post-industriellen und digitalen Zeitalters und dem Erfahrungswissen in ‚improvisatorischen Feldern‘ in sozialen Gemeinschaften verdeutlicht die Notwendigkeit des Umdenkens von individuell geplanten zu gemeinschaftlich sich entwickelnden Prozessen. Damit werden Werkzeuge für den Umgang mit Komplexität in Gemeinschaften und sozialen Systemen entdeckt.

Analysiert wird die Bedeutung von ‚community stories‘ als kommunikatives Medium für Gemeinschaftsbildung und gemeinschaftliche Resilienz. Die den Geschichten innewohnenden Handlungsmuster sind die Bausteine für die Stärke von Gemeinschaften in globalen Krisen. Sie basieren auf Erfahrungswissen und zielen darauf ab, den Menschen die Möglichkeit zu geben, implizites Wissen in sozialen Systemen zu nutzen, um ihre Flexibilität, Kreativität und Leistung in einem Umfeld der Unsicherheit und Mehrdeutigkeit zu steigern. In solchen Umgebungen entsteht eine Kultur, aus der innovative Ansätze hervorgehen.

 

Schlüsselwörter: Erfolgsmuster, Mustersprachen, gemeinschaftliche Resilienz, gemeinschaftliche Geschichten, nicht-planbare Kontexte, Improvisation, Kreativität

 

Summary

Patterns of success for community resilience and innovation: The importance of collective tacit knowledge in global crises.


Beyond the global COVID-19 pandemic, there are numerous other global crises (climate change, social inequality, war and armed conflict, etc.) which have impressively shown in recent years that communities, organizations, and social systems have to deal with increasing complexity and growing uncertainties and ambiguities.

This paper explores the question how elements of community resilience emerge and how dealing with uncertainty and ambiguity can be used positively. The contradiction between rational process thinking of the post-industrial and digital age and experiential knowledge in 'improvisational fields' in social communities highlights the need for rethinking from individually planned to collaboratively evolving processes. This uncovers tools for dealing with complexity in communities and social systems.

Analyzed is the importance of 'community stories' as a communicative medium for community building and community resilience. Community action patterns (CAPs) inherent in stories are the building blocks for community strength in global crises. CAPs are based on experiential knowledge and improvisational theory and aim to enable people to use tacit knowledge in social systems to increase their flexibility, creativity, and performance in environments of uncertainty and ambiguity. In such environments, a culture emerges from which innovative approaches emerge.


Keywords:
patterns of success, experiential knowledge, community stories, community resilience, uncertainty, ambiguity, improvisation

1 Neue Rahmenbedingungen für gemeinschaftliche Resilienz in unsicheren Zeiten

Nicht nur die globale COVID-19 Pandemie, sondern zahlreiche weitere globale Krisen (Klimawandel, soziale Ungleichheit, Krieg und bewaffnete Konflikte etc.) haben in den letzten Jahren eindrücklich gezeigt, dass Gemeinschaften, Organisationen und soziale Systeme mit zunehmender Komplexität und wachsenden Unsicherheiten und Ambiguitäten umgehen müssen. Dafür sind gerade unsere westlichen Industriegesellschaften – Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen – erstaunlich wenig gerüstet. Das zeigen auch die Beiträge in dieser Ausgabe zur Situation von Kindern (Bremen, 2023), Jugendlichen (Straus et al., 2023), Alleinerziehenden (Knörnschild et al., 2023) und im Bildungsbereich (Rasch et al., 2023). Das ‚soziale Kapital‘ unserer Gemeinschaften (Röhrle, 2023; Trojan, 2023; Wilson et al., 2023 – ebenfalls in dieser Ausgabe) bedarf daher deutlich mehr Beachtung im Vergleich zu unseren professionellen Hilfesystemen; und konkreterer Unterstützung, als politische Statements verlauten lassen.

In unserer sog. ‚modernen‘ Gesellschaft verlassen sich Menschen in Gemeinschaften, Organisationen und anderen sozialen Systemen weitgehend auf alles, was plan- und regelbar ist; sie lösen ihre Probleme und Herausforderungen meist durch rationale Analyse und Planung. Die Schwachpunkte regelgeleiteten Handelns werden in Zeiten hoher Unsicherheiten deutlich. Die überwiegende Mehrheit des heute akzeptierten Lernens und der Innovation in sozialen Systemen scheint immer noch vor allem einer Art von Verfahren zu folgen: rationale Planung auf der Grundlage von Analysen. In den letzten Jahrzehnten hat sich dieser Ansatz eher einseitig nicht nur in unserer Gesellschaft allgemein, sondern auch im Sozial- und Gesundheitswesen in vielen Fachkreisen durchgesetzt und unsere alltägliche Denkweise infiziert. Auch heute noch basieren Theorien sozialer Systeme und das Innovationsmanagement auf diesem rationalen kognitiven Modus. Management und Technik sind auf messbare Zahlen ausgerichtet und vom rationalen industriellen Denken beeinflusst; die entsprechenden Belohnungssysteme befördern allerdings eher Konkurrenz und Wettbewerb als soziale Innovation, Kooperation und Wir-Gefühl. Der bekannte amerikanische Sozialphilosoph Michael Sandel von der Harvard University spricht daher ‚Vom Ende des Gemeinwohls‘ (Sandel, 2020).

Rationales Denken beruht auf der Annahme, dass technische und soziale Herausforderungen durch ein objektiv messbares, schrittweises, rationales Vorgehen bewältigt werden können. Dieses Denkmuster hat zweifellos maßgeblich zum Erfolg moderner Gesellschaften beigetragen. Es funktioniert aber vor allem für voraussehbare Planung und hierarchische Modelle der Entscheidungsfindung. Die Sozialwissenschaften, und vor allem die Bereiche der Praxisforschung, wissen, dass dieser Ansatz nur einen kleinen Teil der Prozesse und Dynamiken in Gemeinschaften, sozialen Systemen und Organisationen erfasst.

In Zeiten des Umbruchs und der (globalen) Krisen müssen soziale Systeme weiche Faktoren wie Gemeinschaftsbildung, Gemeinschaftssinn und die ‚Kultur‘ sozialer Systeme fördern, um gerade in komplexen und sich ständig verändernden Kontexten überleben zu können. Selbst wettbewerbsorientierte Systeme wie Unternehmen, die sich stark auf ‚rationale‘ Planung und auf Zahlen basierende Leistungsindikatoren (z. B. KPIs1) stützen, entdecken den Wert ‚weicher‘ kultureller sozialer Prozesse, wenn sie mit unerwarteten Dynamiken konfrontiert werden oder herausfinden, dass sie Kreativität einsetzen müssen, um Kulturen des Vertrauens und der Innovation aufzubauen. In globalen gesellschaftlichen Krisen zeigen sich die Grenzen einer rational auf Effizienz fokussierten und industriellen Denk- und Handlungsweise besonders deutlich. Das verdeutlicht auch die Arbeit von Wilson et al. (2023, in dieser Ausgabe), wenn sie die Bedeutung vorhandenen sozialen Kapitals (Zugehörigkeit, Kontakte) für die Fähigkeit einer Gemeinschaft heraushebt, gemeinschaftlich mit den Auswirkungen globaler Krisen umzugehen und damit auch soziale Ungleichheit abzumildern.

Denn komplexe soziale Systeme, wie Unternehmen, Non-Profit-Organisationen, administrative und informelle Gemeinschaften, werden oft weit weniger durch klar definierte Ziele und Strategien bestimmt (Weick, 1995), als uns das Narrativ der Effizienz im Kontext eines immerwährenden industriellen Wachstums (Piketty, 2014) suggeriert. Von entscheidender Bedeutung ist die heute dringlich geforderte Fähigkeit eines Systems, sich immer wieder neu zu erfinden und damit sich nicht nur sich beständig verändernden und komplexen Herausforderungen zu stellen, sondern auch neue, oft überraschende Wege bei technischen oder gesellschaftlichen Herausforderungen zu finden. Viele Gemeinschaften nutzen daher ‚implizit‘ die Idee der ‚serendi2: Das heißt, sie nutzen das Potential, das sich aus ihrer eigenen Stärke gemeinsam mit ungeplanten Verbindungen und Gelegenheiten ergibt.

Nicht erst ausgelöst durch die globale Pandemie entdecken wir, dass immer mehr Umgebungen, in denen wir leben und arbeiten, unbekannten Situationen und unbestimmten Faktoren unterliegen. Die Fähigkeit, kreativ zu sein, innovative Umgebungen zu gestalten und in einer nur scheinbar rationalen und strukturierten Situation zu ‚improvisieren‘, kann ein Schlüsselfaktor für das Überleben in einer Welt sein, die in Wirklichkeit immer weniger vorhersehbar ist. Denn obwohl nichtlineare und nichtdeterministische Faktoren in einer Welt des ständigen Wandels nicht ignoriert werden sollten (Gigerenzer & Selten, 2002; Looss, 2002), werden sie in der Regel zu wenig berücksichtigt und eher vernachlässigt. Der dynamische Prozess des Organisierens im Sinne des ‚individual and collective sense-making‘, wie Weick (1995) beschreibt, wird durch eine Kultur der Zahlen, Ergebnisse und der Rationalität eher eingeengt als unterstützt. Das komplexe Beziehungsgeflecht in sozialen Systemen wie Nachbarschaften, Initiativen, Organisationen und Unternehmen wird daher immer weniger wahrgenommen, thematisiert oder genutzt, da die berufliche und gesellschaftliche Praxis und Wahrnehmung immer mehr auf Zielerreichung, Kontrolle und Strategiebildung ausgerichtet sind. Noch problematischer ist, dass politische Entscheidungsträger und Praktiker in der Regel keine Sprache haben, um individuelles und kollektives ‚implizites Wissen‘ (Polanyi, 1966; Neuweg, 2015) in Zeiten wachsender Unsicherheit und Ambiguität zu beschreiben, wertzuschätzen und zu nutzen.

Erfahrungsbasiertes implizites Wissen ist gerade in Zeiten von Unsicherheit und Krisen bedeutsam und ein wichtiger Faktor, der eben auch zum Gelingen rationaler Planung unabdingbar ist (Gigerenzer, 2007; Kahnemann, 2016). Erfahrungswissen (Lebenserfahrung, berufliche Erfahrung) und die damit verbundene Intuition wird zwar, ähnlich wie Resilienz, häufig im individuellen Kontext beschrieben, entfaltet aber in der gemeinschaftlichen, kollektiven Betrachtung erst eine besondere Wirkung (Röhrle, 2023 – in dieser Ausgabe).

 

2 Gemeinsam erlebte und erzählte Geschichten als Grundlage gemeinschaftlicher Resilienz: einen kollektiven Sinn für Gemeinschaft schaffen

Die ‚Trägersubstanz‘ des für Innovation, Gemeinschaft und Resilienz so wichtigen impliziten Wissens ist die individuelle und kollektive Erfahrung (Dewey, 1987, 2004) und die Intuition (Gigerenzer & Selten, 2002; Gigerenzer, 2007). Das kommunikative Medium dafür sind meist Geschichten und Erzählungen (siehe auch ‚oral history‘ oder ‚Das kollektive Gedächtnis‘ – Halbwachs, 1991; Niethammer, 1980), die nicht nur kollektiv die Welt erklären, sondern auch Gemeinschaft und einen ‚sense of community‘ (Macmillan & Chavis, 1986; Sarason, 1974) ermöglichen.

Geschichten und Erzählungen gemeinschaftlicher Resilienz und innovativer Stärke (‚community story telling‘) sind eine immaterielle Form unseres kulturellen Erbes und ein wichtiger Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. Community Story Telling schafft und nährt ein implizites Gemeinschaftsgefühl, das für den Zusammenhalt und die gemeinsame Stärke in unseren Gesellschaften von entscheidender Bedeutung war, ist und sein wird. Die Kunst des Geschichtenerzählens und der Austausch von Gemeinschaften darüber, ´wie wir gedeihen` (‚How we Thrive‘), scheint Teil der gesellschaftlichen DNA zu sein, die notwendig ist, um pandemische Krisen als Gesellschaften zu lösen (Liguori et al., 2021; Linde, 2001).

Die enorme Bedeutung von Community Story Telling für unser Gemeinschaftsgefühl wurde daran deutlich, wie Anfang 2020 (während des ersten globalen Lockdowns) Menschen und Gemeinschaften auf die Bedrohung der Pandemie und die darauf folgenden Einschränkungen reagierten: Man konnte zahlreiche Formen kreativer Aktionen in kleinem Maßstab finden, mit denen sich Nachbarn, ganze Nachbarschaften, informelle und formellere Gemeinschaften gegenseitig unterstützten und halfen, die in vielerlei Hinsicht überraschend und unerwartet waren. Von diesem Aha-Effekt beeindruckt, begannen wir, diese Geschichten von Solidarität und Veränderung zu sammeln, um sie für unser kollektives Gedächtnis zu bewahren. Bald stellten wir fest, dass Menschen in anderen Teilen der Welt ähnliche Ideen hatten, und so schlossen wir uns zusammen und gründeten die ‚NewBank for Community Ideas and Solutions‘3 – als ein (inter)aktives lebendiges Archiv für Community Story Telling als kulturelles Erbe, das wir allzu oft als selbstverständlich ansehen (Patrimoni, 2021).

 

2.1 Menschen, Orte, Geschichten

Geschichten der Stärke und gegenseitigen Unterstützung, die in einer Gemeinschaft geteilt werden, inspirieren wiederum andere Menschen dazu, aktiv zu werden und sich zu engagieren. Sie sind daher oft wirkungsvoller als sozialwissenschaftliche Ergebnisse, Zahlen und Resultate. Geschichten schaffen ein Gemeinschaftsgefühl und können Menschen dazu inspirieren, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Sie werden auch Geschichten, die sie hören, weitererzählen und ihre eigenen individuellen Teile zu einer kollektiven Geschichte hinzufügen. Mit anderen Worten: Eine psychologische Perspektive auf einen ‚sense of community‘ (McMillan & Chavis, 1986) gewinnt ihre Kraft in erster Linie durch individuelle und kollektive Geschichten, die aktives transformatorisches Lernen fördern und inspirieren. Geschichten dienen also nicht nur als Vehikel für den Transport eines kulturellen Erbes. Die Kunst des Geschichtenerzählens und des Teilens gemeinsamer Weisheiten, die zu transformatorischem Handeln in Gemeinschaften führen, ist ein kulturelles Erbe an sich!4

Ein wesentliches Merkmal der Geschichten, die für das Verständnis der Seele und der Kraft von Gemeinschaften relevant sind (man könnte sie auch ‚gemeindepsychologische Geschichten‘ nennen), besteht darin, dass sie ergebnisoffen sind. Sie fordern implizit zu eigenem Handeln auf und sollen eine aktivierende Dynamik für andere haben.

Der amerikanische Journalist und Publizist Studs Terkel (1981, 1988) hat zahlreiche Menschen interviewt, um mündliche Geschichten der menschlichen Kulturen zu bewahren. Dora Rosenzweig, zum Zeitpunkt des Interviews 94 Jahre alt, erinnert sich an die Bedeutung von Geschichten in ihrer eigenen Geschichte. Im Alter von zwölf Jahren verdiente sie ihren Lebensunterhalt in einer Zigarrenfabrik, einem der Ausgangspunkte der organisierten Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert:

„Die Werkstatt war fast so groß wie ein Wohnblock. Sie hatte zwei Räume, einen kleinen und einen großen. Ich zog es vor, in dem kleineren Raum zu arbeiten, in dem etwa dreißig oder vierzig Personen Platz fanden. Sie wählten mich als Vorleser aus. Ich drehte fünfzig Zigarren pro Stunde. Das war das Limit für meine Akkordarbeit. Wenn ich also eine Stunde lang vorgelesen habe, haben die anderen fünfzig Zigarren für mich gedreht. Wenn ich zwei Stunden vorlas, gaben sie mir hundert. Ich saß auf einem Stuhl und las vor, während sie arbeiteten. Ich las ihnen über aktuelle Ereignisse, ein Buch oder sogar einen Comic vor. Ich wählte die Bilder aus. Hat schon mal jemand gehört, dass ein zwölfjähriges Mädchen Flauberts ‚Salambo‘ liest? Alles, was mich beeindruckt hat, habe ich den anderen vorgelesen. Tolstoi, alles“ (Terkel, 1981, S. 79).

Diese kurze Geschichte ist eine Geschichte der Stärke in einer Situation der Knappheit: Arbeiter organisieren Teile ihres Alltags selbst und lassen sich von Geschichten inspirieren. Sie lernen aus dem anregenden Charakter von Geschichten, und das Geschichtenerzählen hilft ihnen gleichzeitig, sich selbst zu ermächtigen.

Als ‚mündliche Geschichte‘ (oral history) können Gemeinschaftsgeschichten das oft versteckte, kollektive Wissen und die Weisheit darstellen, die die Beziehungen, die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaft und die potenziellen kollektiven Fähigkeiten von Gemeinschaften formen.

 

2.2 Gemeinschaftliche Geschichten – ‚Wie wir gedeihen‘

Kollektive Geschichten (‚community stories‘) haben viele Gesichter. Sie sind sowohl Geschichten von starken und kreativen Einzelpersonen als auch von sich wandelnden Netzwerken und Gemeinschaften, die Menschen miteinander verbinden. Sie erzählen davon, wie man als Einzelner oder als Gruppe stark und erfolgreich wird. Sie erzählen aber auch Geschichten von Niederlagen und Resignation. Neben einer Vielzahl von Inhalten weisen sie zwei Hauptmerkmale auf:

(1) Zum einen haben sie analytischen Charakter, d. h. sie zeigen die Zusammenhänge zwischen persönlichen Schicksalen und allgemeinem gesellschaftlichem Leid auf, verknüpfen also individuelle und gesellschaftliche Prozesse und sind insofern im besten Sinne psycho-analytisch.

(2) Zugleich sind sie aber auch anregend und ansteckend: Sie verbinden Teile und Fragmente der jeweiligen Geschichte mit den eigenen Erfahrungen und regen damit zum Weitererzählen an.

Obwohl die Rolle von Erzählungen in Gemeinschaften in der Gemeindepsychologie anerkannt ist (Berkowitz, 1987; Stark, 1992; Humphreys & Brown, 2002; Rappaport, 2000), wurde sie selten als eigenständige Methodik entwickelt (Olson & Jason, 2011). Dennoch spielen kollektive Narrative und individuelle Geschichten immer eine wichtige Rolle für die Identitätsbildung von Berufsgruppen und für kollektive Prozesse.

Viele Studien über Empowerment-Prozesse – Prozesse, die es Menschen ermöglichen, ihre eigenen und auch kollektiven Stärken zu entdecken, um gemeinsame soziale Ziele zu erreichen (Stark, 1996, 2021) – betonen die Bedeutung des Austauschs von Erfahrungen und Ressourcen. Kieffers klassische Studie über die Empowerment-Prozesse von marginalisierten Bürger:innen, die zu zentralen Figuren des bürgerschaftlichen Engagements auf Gemeindeebene heranwuchsen, ist eine Sammlung solcher Geschichten, die von der Notwendigkeit erzählen, die eigene Geschichte zu identifizieren, zu erkennen und aktiv zu erzählen (Kieffer, 1984).

Eine umfangreiche soziologische Studie über Individualismus und Gemeinsinn (Bellah et al., 1985) hebt ebenfalls hervor, dass Geschichten sowohl identitätsstiftend als auch handlungsanregend sind:

„Gemeinschaften in unserem Sinne haben eine Geschichte – sie werden in erheblichem Maße durch ihre Vergangenheit konstituiert. Aus diesem Grund sprechen wir von der wirklichen Gemeinschaft als einer 'Erinnerungsgemeinschaft'; d. h. es ist eine Gemeinschaft, die ihre Vergangenheit nicht vergisst. Um nicht zu vergessen, erzählt eine Gemeinschaft ihre Geschichte, formt ihre Vergangenheit zu einer Erzählung und überliefert so Beispiele von Männern und Frauen, die den Sinn der Gemeinschaft vorgelebt haben. Diese Geschichten der kollektiven Vergangenheit und Vorbilder sind ein wichtiger Teil der Tradition, die für die Erinnerungsgemeinschaft so zentral ist. (...) Eine echte Erinnerungsgemeinschaft wird auch die schmerzhaften Geschichten des gemeinsamen Leids erzählen, die manchmal eine tiefere Identifikation ermöglichen als der Erfolg. (...) Die Erinnerungsgemeinschaften verbinden sich nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch mit der Zukunft als Gemeinschaften der Hoffnung. Sie schaffen einen Sinnzusammenhang, der unsere Absichten und die uns nahestehenden Menschen mit übergeordneten Zielen in Verbindung bringt. (...)“ (Bellah et al., 1985, S. 185 f.).

Die Autoren dieser Studie bezeichnen ‚Erinnerungsgemeinschaften‘ als die ‚zweite Sprache‘ des sozial verantwortlichen Individualismus – im Gegensatz zur ‚ersten Sprache‘ des modernen Individualismus mit seinen utilitaristischen und expressiven Komponenten – und, nicht selten, einer Praxis der Isolation. Die Bedeutung der ‚zweiten Sprache‘, die in Geschichten zu finden ist, für die soziale Entwicklung wird von Michel Ignatieff (1989) in seinem Essay über die kulturellen Veränderungen durch die neuen Medien festgestellt:

„In allen Medien haben wir die Erzählung durch den Fluss, die Verbindung durch die Unterbrechung und die Abfolge durch die Beliebigkeit ersetzt. Das geht auf Kosten unseres Gedächtnisses. Die Erzählung ist ein mnemotechnisches Werkzeug: Geschichten helfen uns, Bedeutungen langfristig zu behalten. Wo die Erzählung verschwindet, beginnt die Amnesie“ (Ignatieff, 1989, S. 98).

How we Thrive5 ist eine Initiative mit Sitz in Nova Scotia/Kanada, die Erfahrungen des Stärker-Werdens von Alt und Jung, von Einheimischen und Einwanderern weitergibt. Ihr ‚Narrative Project‘ zielt auf ‚Re-Authoring‘ und die Hinterfragung vorherrschender Narrative ab, um das Erzählen von Geschichten zur Gestaltung des eigenen Lebens zu nutzen.

Die globale Pandemie, Black Lives Matter, der Klimawandel und andere globale und lokale Krisen haben sowohl die Narrative als auch die Beziehungen in vielen Gemeinschaften verändert. In Nova Scotia/Kanada trifft sich seit 2018 eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, um die Systeme und Narrative, die ihr Gemeinschaftsgefühl und ihre Lebensweise definieren, zu überdenken und gemeinsam neu zu gestalten. ‚How We Thrive‘ (‚Wie wir gedeihen‘) baut ein Netzwerk aus einheimischen und zugewanderten Menschen jeden Alters, jeder Herkunft und jedes Berufs auf, um ihre Erzählungen über den Aufbau von Gemeinschaften und alten/neuen Beziehungen zwischen Menschen und zwischen Mensch und Natur zu teilen.

Es begann als ein Experiment, es einfach zu tun. Einige wenige Menschen träumten von einer Veranstaltung, die die Energie und die Geschichten, die in ihrer Region lebendig waren, einfangen sollte. Menschen aus verschiedenen Gemeinschaften und Lebensbereichen sollten lange genug zusammenkommen, um unter die Oberfläche der Probleme und Herausforderungen zu gelangen und echte Gespräche zu führen, zu lernen und zu verlernen. ‚How We Thrive‘ entwickelte sich zu einer Gemeinschaft von Menschen aus der Region mit regelmäßigen Treffen (online und persönlich). ‚How We Thrive‘ konzentriert sich auf Erzählungen, die davon berichten, wie Menschen zusammengehören (Nature of Hosting), sich selbst und einander überraschen und Gemeinschaft schaffen.

Erzählungen sind am wirkungsvollsten, wenn sie Menschen zusammenbringen, um Ideen und Werte zu teilen. Erzählungen können auch Risse aufzeigen – sowohl in individuellen als auch in gemeinsamen Gemeinschaftserzählungen. Das Erkennen der Risse kann uns dazu inspirieren, neue Geschichten in die entstandene Lücke zu weben.

Der Start des Narrative Project hat seitdem zu folgenden Projekten geführt:

- zum Projekt ‚Future of Food‘, das führende Akteure der ‚Slow-Food-Bewegung‘ aus ganz Atlantik-Kanada zusammenbringt,

- dem Gaelic Narrative Project, Air Chéilidh

- The Art of Hosting, die die wichtige Rolle des ‚Gastgebens‘ in unseren Gemeinschaften hervorhebt.6

 

Alle wissenschaftlichen Entdeckungen und erkenntnistheoretischen Prozesse sind mit Geschichten von Individuen oder Kollektiven verbunden. Hochgradig abstrakte Daten erzählen Geschichten, die oft spannender sind als die Forschungsergebnisse (Gell-Man, 1994; Kuhn, 1976) und/oder diese erfahrbar machen. Wie sind die Entdeckungen zustande gekommen? Wie ist eine soziale Bewegung entstanden? Dies sind Fragen zu den innovativen Prozessen in der Wissenschaft selbst – das ist der Stoff, der uns wirklich interessiert und uns aufhorchen lässt.

Die Identität einer Gemeinschaft, auch einer ‚wissenschaftlichen Gemeinschaft‘, entsteht durch Geschichten, nicht ausschließlich durch Ergebnisse, Experimente, Theorien oder wissenschaftliche Regeln. Schon Thomas Kuhn stellte in seinem bahnbrechenden Buch über ‚Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen‘ fest, dass Geschichten, in denen Regeln gebrochen werden, den wissenschaftlichen Fortschritt ausmachen (Kuhn, 1976).

Daraus folgt:

- Geschichten prägen die Identität von Individuen und Gruppen, weil sie die Identifikation mit anderen aus der Gemeinschaft ermöglichen: die kognitive Zugehörigkeit zu einer Gruppe.

- Geschichten sind innovativ, weil sie durch ihre identitätsstiftende Wirkung anregend wirken, aber auch, weil in vielen erzählenswerten Geschichten ein gelungener oder zumindest versuchter Bruch mit der Tradition zu finden ist.

 

2.3 Die ‚Neue Bank für gemeinschaftsbildende und transformative Geschichten‘7: Eine gemeinsame globale ‚Währung‘ für gemeinschaftliche Resilienz

Menschen und Gemeinschaften auf der ganzen Welt haben auf überraschende und kreative Weise auf die Auswirkungen der Pandemie reagiert. Manchmal sind diese Aktionen (gemeinsames Singen von Balkonen, kreative kulturelle Unterstützung von Pflegeheimbewohnern durch Konzerte im Hof) nur von kurzer Dauer; sie bleiben jedoch vielen Menschen im kollektiven Gedächtnis. Daher sollten diese einzigartigen Ausdrucksformen gegenseitiger Unterstützung, Zugehörigkeit und Gemeinschaft nicht vergessen werden, da sie das kollektive Kapital für eine gemeinschaftliche Resilienz darstellen, die für das Zusammenleben nach der Pandemie und für die Bewältigung weiterer globaler oder auch lokaler Krisen (z. B. spontane kulturelle Angebote nach einer Flutkatastrophe) darstellen.8

Auf der Grundlage von Geschichten über die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften und die gegenseitige Solidarität, die während der ersten COVID-19-Pandemie weltweit gesammelt wurden, haben wir begonnen, einen Fundus kollektiver Weisheit als Reaktion auf gesellschaftliche Krisen zu schaffen. Die Geschichten stehen nicht nur für sich, sondern entfalten transformative Muster, die andere Gemeinschaften und Kulturen inspirieren können. Die Neue Bank für Gemeinschaftsideen sammelt, dokumentiert, kuratiert und erweitert diese neuen Formen der Gemeinschaft und ihre überraschend kreativen Ideen und Lösungen und betrachtet sie als den Schatz einer Zivilgesellschaft. Es sind konkrete Beispiele dafür, wie wir Gemeinschaft aufbauen, wie wir als Gemeinschaft kreativ zusammenarbeiten und wie wir unser kulturelles und individuelles Leben teilen – vor allem, wenn wir uns in einer Krise befinden – Community Story Telling stärkt und erweitert unser kollektives zivilgesellschaftliches Kapital (Berkowitz, 1987; Wilson, 2014; Wilson, 2023, in dieser Ausgabe).

 

Fürsorge und schnelle Reaktion in einer kleinen bayerischen Gemeinde


PÄHL (Südbayern, Deutschland) ist eine kleine Gemeinde (ca. 2000 Einwohner) in malerischer Lage südlich von München und in der Nähe der Alpen. Obwohl sie für ein reichhaltiges Gemeindeleben bekannt ist (traditionelle Musikkapellen, Fußball, Vereine, die lokale Traditionen pflegen), war es beeindruckend, wie sich die Gemeinde in sehr kurzer Zeit nach dem ersten und überraschenden Corona-Lockdown zusammenfand, um die gefährdeten Gruppen zu unterstützen:

Die jungen Leute des Dorfes bildeten innerhalb von zwei Tagen nach dem Lockdown eine freiwillige Corona-Taskforce. Der örtliche Bürgermeister rief sofort 200 (!) Einwohner über 70 Jahre an und fragte sie, ob sie Unterstützung bei der Lebensmittelversorgung oder der Gesundheitsversorgung benötigten. Sie wurden auch gefragt, ob sie regelmäßige Telefonanrufe erhalten möchten, wenn sie allein leben.

Die örtliche freiwillige Corona-Taskforce bot ab dem dritten Tag nach der Abriegelung Essensversorgung und Einkaufsdienste an. Die Gemeindeverwaltung koordiniert die Bestellungen. Die kleine örtliche öffentliche Bibliothek bot Bücherlieferungen auf Abruf an. Die Gemeindeverwaltung schickte Direktwerbung an alle Haushalte mit Notrufnummern für Informationen, Gesundheitsdienste während der Sperrung, wo man lokale Lebensmittel kaufen oder warme Mahlzeiten bestellen konnte, die an die Haushalte geliefert wurden.

Auf der Grundlage eines reichen Gemeinschaftslebens sind die Menschen erstaunlich schnell und kreativ, wenn es darum geht, gemeinschaftliche Unterstützungssysteme aufzubauen. Die Zusammenarbeit aller Bereiche des Alltagslebens (jung und alt, lokale Geschäfte und Gärtnereien, Bibliotheken, Gemeindeverwaltung, ...) ist von entscheidender Bedeutung.

 

Ursprünglich gegründet, um kreative Geschichten gemeinsamer Stärke während der Pandemie zu beschreiben, konzentriert sich die NewBank mittlerweile auf Geschichten vom Aufbau von Gemeinschaften und auf die Stärke von Gemeinschaften auch in anderen Krisen, die unsere Gemeinschaft bedrohen und kollektive Resilienz erfordern (Klimawandel, Rassismus, soziale Ungleichheit, …). Wir haben gelernt, dass sich gemeinschaftliche Resilienz oft intuitiv und ungeplant entwickelt und dabei geteiltes Erfahrungswissen eine große Rolle spielt. Viele haben uns von kreativen Lösungen für lokale und regionale Herausforderungen erzählt, die sie als überraschend empfunden haben. Doch aus unserer Perspektive als Gemeindepsychologen betrachten wir Überraschung als Stärke.

Gemeinschaften und die co-kreativen Aktionen ihrer Mitglieder repräsentieren einen wichtigen Teil des sozialen Kapitals unserer Zivilgesellschaften, der in unserer businessorientierten Welt zu oft ignoriert und zu wenig genutzt wird. Die Neue Bank für Gemeinschaftsideen und -lösungen erweitert daher ganz praktisch ein rein wirtschaftliches Verständnis von Kapital: Wir sehen die Entwicklung starker Gemeinschaften gleichwertig als Reichtum im sozialen Sinne – eine der zentralen Voraussetzungen für unsere planetarische Zukunft.

Dass nicht-traditionelle Orte der Kultur ebenso gemeinschaftsbildend wirken können wie freiwillige gegenseitige Hilfe, zeigt ein überraschender Kunst-Ort in einer landwirtschaftlichen Region im ländlichen Oberbayern:

 

STOA169


STOA169 erinnert nicht nur an meditative Bauten in indischen Tempeln oder an die Bauten der antiken griechischen 'Stoiker'10. Es ist eine moderne gemeinschaftsbildende Architektur, in der Menschen jeden Alters, jeder Herkunft und jeder Hautfarbe zusammenkommen können. Die offene Halle und die 121 Säulen – von namhaften internationalen Künstlern individuell gestaltet – repräsentieren den Stand der modernen Kunst aus allen Kontinenten und spiegeln gleichzeitig unser menschliches Erbe, unsere Vergangenheit, Gegenwart und zukünftigen Herausforderungen als planetarische Gemeinschaft wider.

Schafft eine offene Halle für Kunst als Teil der Natur (keine Wände, keine Gebühren, keine Regeln) heute Gemeinschaft? Sie lädt Einzelpersonen, Familien, Jung und Alt ein, zusammenzukommen und sich inspirieren zu lassen – und verbindet Menschen, die sich noch nie zuvor getroffen haben. Viele entdecken neue Perspektiven, wenn sie zwischen den Säulen umherwandern: Für die einen ist es ein Ort der Ruhe wie ein Tempel, für die anderen eine ‚Bonbonière‘ voller Überraschungen. Kinder lieben es, zwischen den Säulen herumzulaufen, sich zu verstecken oder auf sie zu klettern. Die meisten Besucher verlassen den Ort mit leuchtenden Augen und einem Lächeln im Gesicht. So wird Gemeinschaft lebendig!

3 Erfolgs-Muster und Mustersprachen: Wie sich implizites gemeinschaftliches Wissen in Gemeinschaften entdecken und nutzen lässt

‚Community Stories‘ sind mehr sind als einzelne Erzählungen kreativer gemeinschaftlicher Aktionen. Als kommunikatives Medium kollektiven impliziten Wissens sind sie auch gemeinschaftsbildend (im Sinne von identitätsbildend – Höfer & Keupp, 2009; Keupp et al., 1999). In der gemeinsamen Erfahrung und Intuition beinhalten sie jedoch auch die Geschichten durchdringende Handlungsmuster, die wie eine dynamische Bedienungsanleitung zur erfolgreichen Bildung und Gestaltung von Gemeinschaften wirken können und damit das Grundgerüst für gemeinschaftliche Resilienz bilden. Im Gegensatz zu einer Bedienungsanleitung oder einem Rezept beschreiben diese Muster Prinzipien einer Lösung, die in einer bestimmten Situation situationsspezifisch angewendet werden können. Beispiele für solche Muster sind etwa ‚Vertrauen entwickeln‘, ‚unterschiedliche Fähigkeiten erkennen, nutzen und teilen‘ oder ‚ungewöhnliche Orte nutzen‘. Kombiniert man verschiedene Muster auf systematische Weise, bilden sie eine situationsspezifische Mustersprache, die für Problemlösungen und gemeinschaftliche Innovationen genutzt werden kann. Muster bauen auf Erfahrungswissen auf – auf Strategien und Praktiken, die sich über einen längeren Zeitraum bewährt haben.

Das implizite kollektive Erfahrungswissen, das in Gemeinschaften und sozialen Systemen gesammelt wird, ist sozusagen das ‚Öl im Getriebe‘ oder die ‚Muskeln auf den Knochen‘, die einer Gemeinschaft ihren Charakter verleihen und ihre eigene Dynamik bestimmen. Diese ‚praktische Weisheit‘ (Schwartz & Sharpe, 2010; Schonbrun & Schwartz, 202011) ist oft erst auf den zweiten Blick erkennbar: Sie wird von Gemeinschaften oft nicht systematisch gepflegt und ausgebildet, weil sich die Einzelnen dieser ‚Gemeinschaftskultur‘ – als selbstverständlicher Teil ihres Alltags – meist nicht bewusst sind. Aus einem gemeindepsychologischen Blickwinkel heraus jedoch sind diese Muster oft das ‚Baumaterial‘, aus denen Gemeinschaft und gegenseitige Solidarität entsteht und mit denen Gemeinschaften stärker und resilient werden.

Obwohl die in den gemeinschaftlichen Erfolgsmustern beschriebene `praktische Weisheit` oft den Kern innovativer Gemeinschaften bildet, ist sie selten dokumentiert und wird auch von erfahrenen Praktikern als selbstverständlich angesehen. Um Erfahrungswissen zu identifizieren, sind intensive Gespräche und Diskussionen erforderlich, denn praktische Weisheit ist meist ‚implizit‘, d. h. nicht direkt bewusst oder ‚intuitiv‘. Sich der eigenen praktischen Weisheit bewusst zu werden, ist eine wichtige Voraussetzung für den Prozess der gemeinschaftlichen Innovation. Anstatt Innovationsprozesse und die damit verbundenen Instrumente konzeptionell oder theoretisch als Ganzes zu beschreiben, werden Erfolgsfaktoren und Strategien in einzelne Handlungsmuster zerlegt. Im Gegensatz zu einem linearen und starren Leitfaden können die ‚Handlungsmuster‘ je nach Perspektive und Situation flexibel ausgewählt, kombiniert und angewendet werden.

Gemeinschaftliche Handlungsmuster funktionieren wie praktische Anleitungen, sind aber flexibel einsetzbar. Sie helfen, die Dynamik von Gemeinschaften zu verstehen und zu verstehen, warum einige Gemeinschaften innovativ und erfolgreich sind, andere dagegen nicht. In den meisten Fällen wird implizites kollektives Wissen mündlich und informell weitergegeben („So machen wir es“ oder „Dos und Don‘ts“) und hat einen intuitiven Charakter („Ich habe ein Gefühl dafür“, „Das mache ich intuitiv“). Manchmal offenbaren Gemeinschaftsdokumente (Protokolle, informelle Zeitungen, lokale Geschichte) Prinzipien, die das Handeln von und innerhalb einer Gemeinschaft prägen. Wenn sie jedoch zur Formulierung fester (Verhaltens-)Regeln verwendet werden, verlieren sie oft ihren kreativen und dynamischen Charakter. Die gemeinschaftlichen Handlungsmuster enthalten daher Erfahrungswerte und Prinzipien, mit denen die meisten Situationen flexibel gemeistert werden können und die sich ständig weiterentwickeln.

Es ist hilfreich, die Geschichten gemeinschaftlicher Stärke in Kategorien einzuteilen (z. B. ‚Wie wir zusammenarbeiten und kooperieren – Gemeinschaftsakteure und unser Ökosystem – Die wirklich beste Lösung – Nachhaltigkeit und Verantwortung der Gemeinschaft – Zeit und Raum‘). Ziel ist es, die erfolgreichen Handlungsmuster in eine Struktur aus verschiedenen Handlungsfeldern und deren zeitlicher Abhängigkeit einzubetten. Durch die Kombination verschiedener Muster, Kategorien und Phasen entsteht eine Mustersprache, in der sich die Potenziale der verschiedenen Ansätze verdichten. Eine Mustersprache12 wird ständig ergänzt, weiterentwickelt und verbessert.

Erfolgreiche Muster gemeinschaftlichen Handelns können – wie die Bausteine einer DNA – immer wieder neu zusammengesetzt werden, um neue Ideen und Innovationsprozesse anzustoßen. Das technische und methodische Know-how, die umfangreichen Erfahrungen der Gemeindemitglieder als Unternehmer:innen, engagierte Bürger:innen, Fachleute mit unterschiedlichem Hintergrund und ihre regionalen (und manchmal internationalen) Netzwerke, erwecken die Erfolgsgeschichten hinter den Mustern zum Leben, und lassen hoffentlich viele weitere neue entstehen.13

 

3.1 Gemeinschaftliche Innovation, implizites Wissen und Improvisation

Der Umgang mit unvorhersehbaren Prozessen ist in sozialen Systemen und Gemeinschaften eine alltägliche Herausforderung. Zusätzlich zu den kodifizierten rationalen Verfahren entwickeln die Mitglieder sozialer Systeme in der Regel eine Reihe gemeinsamer impliziter Verfahren, die sich als tragfähig erweisen (Glasersfeld, 1992). Ähnlich wie bei der Improvisation in der Jazzmusik, bei der Musiker auf der Grundlage bekannter expliziter und impliziter ‚Jazz-Muster‘ interagieren (Coker et al., 1992), kann diese Art von Prozess als kontinuierliche Neugestaltung und Neuanordnung impliziter und expliziter Verfahrens- und Handlungsmuster auf der Grundlage von (implizitem) Erfahrungswissen betrachtet werden: Sie interagieren auf der Grundlage bereits bekannter Muster und beziehen sich auch auf andere, bereits vorhandene oder traditionelle Muster, und durch die Neugestaltung und Neuanordnung schaffen sie auch einen ständigen Fluss neuer Muster, die ihrem Erfahrungswissen hinzugefügt werden (Barrett, 2012).

Der Sinn von Gemeinschaft und gemeinschaftlicher Innovation entfaltet sich in einer Textur der Zusammenarbeit verschiedener Modelle der Kooperation: von (a) der kleinen kooperativen Zelle (dem Team) innerhalb einer Organisation, die ein Teilsystem der Gemeinschaft ist, (b) über die soziodynamische Gestaltung einer Gemeinschaft oder einer Non-Profit-Organisation als eigenständige Einheit mit expliziten Strukturen und implizitem Wissen, bis hin zu (c) der strategischen Allianz zwischen verschiedenen Arten von Organisationen und Interessengruppen innerhalb einer Gemeinschaft.

Diese verschiedenen Beziehungsformen haben etwas Gemeinsames: Sie alle sind geprägt von – oft gemeinschaftlich geteiltem – implizitem Wissen und, nicht selten, von emotionalen Entscheidungen und Prozessen. Rationale Planungsprozesse erfassen und nutzen diese verborgene Macht und die Potenziale des kollektiven impliziten Wissens nur selten. Wird eine Situation und ein Umfeld jedoch komplexer und weniger vorhersehbar, verlieren Planung und Rationalität im Prozess der Organisation an Bedeutung (Weick & Westley, 1996). In einem früheren Beitrag (Schümmer, Haake & Stark, 2014) haben wir gezeigt, dass trotz steigender Komplexität die ‚rationale Welt‘ der Gebäude, der Wirtschaftsstatistiken und der computer- und maschinenbasierten Prozesse bisher nicht zur Nutzung emergenter und kreativer Prozesse geführt hat, die auf dem ‚kollektiven impliziten Wissen‘ der Vielen basieren. Stattdessen wird bei der Entscheidungsfindung immer noch so getan, als ob sie auf Strukturen aufbaut, die ausschließlich rational geplant sind und die versuchen, die Komplexität auf ein Niveau zu reduzieren, das mit rationalem Denken zu bewältigen ist. Dies schränkt unsere Fähigkeit ein, mit der Ambiguität und Ungewissheit umzugehen, die in moderne soziale Systeme eingebaut sind.

Dorothy Leonard (Leonard & Swap, 2005), die Erfahrungswissen und implizite Prozesse in Organisationen und Gemeinschaften analysiert, nennt es ‚deep smarts‘. Sie schreibt, dass ‚deep smarts‘ (d. h. implizites Wissen) und das rationale Feld der Strukturen und Zahlen nicht voneinander getrennt werden können, sondern sich aufeinander stützen müssen. Daher ersetzen Improvisation und ihre performativen, dynamischen Muster nicht den rationalen, kognitiven Modus: So wie das Muskelsystem im Körper für das Skelett notwendig ist, um sich zu bewegen, das Gleichgewicht zu halten, auszubalancieren und wachsam zu sein, werden improvisatorische Felder und performative Muster in Organisationen und Gemeinschaften benötigt, um Strukturen und Regeln in jeder für die Routine neuen und mehrdeutigen Situation anzupassen und auszugleichen. Sind performative Handlungsmuster einmal erkannt und genutzt, sensibilisieren sie uns für Innovationen und kreative Möglichkeiten in anderen mehrdeutigen Situationen.

 

3.2 Erfolgsmuster und ihr Potential für gemeinschaftliche Resilienz erfahren und erspüren

Um die Sprache und Erfolgsmuster des impliziten Wissens aufzuspüren, ist es auch hilfreich, mit neuen Sinneskanälen zu experimentieren (Stark et al., 2017): Wenn wir beispielsweise die dynamischen Prozesse von Gemeinschaften ‚hören‘ könnten, ließe sich das kommunikative Sensorium am Arbeitsplatz oder im Gemeinschaftsleben auf eine neue und tiefere Ebene erweitern, die uns den Zugang sowohl zu ästhetischen als auch zu emotionalen Dimensionen der Prozesse ermöglichen würde. Musik als darstellende Kunst kann ein Schlüssel zur ‚tiefen Ebene von Organisations- und Innovationsprozessen‘ sein, die als Reflexionsinstrument sowohl im professionellen Kontext als auch im Alltag für Menschen in Gemeinschaften genutzt werden kann, um dynamische und kreative Lernprozesse in Gang zu setzen (vgl. Zürn, 2022). Sich Gemeinschaftsprozesse und Projekte als ein Musikstück vorzustellen, öffnet soziale und organisatorische Dynamiken, die sonst oft in strategischen Plänen und Arbeitsabläufen festgefahren sind, und hilft ihnen, das System kreativ neu zu gestalten.

Fähigkeiten zu kontinuierlicher Neuausrichtung und Serendipität (Weick & Westley, 1996) erfordern systematische Verfahren (eine ‚Technologie‘) der Improvisation, die die Organisationstheorie als Metapher inspiriert (Barrett, 2012; Dell, 2012; Hatch, 1999; Weick 1995). Wenn wir Musik nicht nur als etwas betrachten, das rezipiert oder interpretiert werden kann, sondern auch als ein Werkzeug zur Sinngebung und Gemeinschaftsbildung, können wir eine weitere Stufe des Verstehens und der ‚Welterzeugung‘ (Goodman, 1978) betreten und analysieren. Francescato (1992) hat bereits früh die Idee einer multidimensionalen Analyse von Gemeinschaften und sozialen Systemen unter Einbezug künstlerischen Denkens in die Gemeindepsychologie eingeführt. Improvisation als Kunst und Können (und künstlerisches Denken allgemein) wird heute von zahlreichen Forschern und Praktikern als Grundelement von Prozessen gemeinschaftlicher Resilienz und Innovation (co-creation) angesehen (Barrett, 2012; Dell, 2012; Stark & Dell, 2014; Stark et al., 2017; Zenk et al., 2022).

Dies gilt nicht nur für die Musik, die sich der Improvisationskunst bedient, wie z. B. der Jazz, sondern ist auch in vielen Stücken von Johann Sebastian Bach oder in den Grundzügen der indischen Musik zu bewundern (Kurt & Näumann, 2008). Improvisation ist auch für viele Formen der performativen zeitgenössischen Kunst wie Theater, Tanz oder die darstellende Kunst selbst eine gemeinsame Grundlage (Johnstone, 1987; Forsythe, 2003; Fischer-Lichte, 2012). Im Alltag entdecken wir die Kunst der Improvisation in vielen sportlichen Aktivitäten wie modernem Fußball, Segeln und Skifahren. Man kann also davon ausgehen, dass immer dann, wenn die menschliche Kreativität und Spielfreude ausgelöst wird, die Kunst der Improvisation einer der Schlüssel zu Gemeinschaft und kollektivem Selbstbewusstsein ist und darüber hinaus Fähigkeiten entwickelt, mit Mehrdeutigkeit und Unsicherheit umzugehen. Improvisation eröffnet dann nicht nur die Fähigkeit, mit unbekannten Potenzialen und unsicheren Prozessen umzugehen, sondern auch, Muster und ‚minimal structures‘14 auf kreative Weise neu zu gestalten (Dell, 2012; Stark, 2014). So wird die erfinderische Produktion der Improvisation zu einer Norm an sich: Herausforderung und Möglichkeit.

 

3.3 Improvisation lernen: Das Unerwartete managen

Die Kunst der Improvisation entwickelt praktische Werkzeuge für gemeinschaftliche Resilienz- und Innovationsprozesse in Gemeinschaften und sozialen Systemen. Sie erlaubt uns, leichter in den sozialen Räumen zu navigieren, die durch abrupten Wandel, Ungewissheit und Unsicherheit gekennzeichnet sind. Soziale Gemeinschaften werden damit, zusätzlich zu den traditionellen Dimensionen der Zugehörigkeit und Sicherheit, auch zu einem transformativen Ort, der durch eine große und komplexe Vielfalt von Rhythmen choreographiert wird, in denen wir gleichzeitig navigieren und agieren.

Allerdings wird der Begriff Improvisation bisher häufig eher verwendet, um die ‚Reparatur‘ einer ‚aus dem Ruder gelaufenen‘ Situation zu beschreiben; einen Weg, sie auf ‚schlampige‘ Weise15 zu korrigieren, wenn der ursprüngliche Plan scheiterte. Improvisation in diesem Verständnis ist immer nur für einen vorübergehenden Einsatz gedacht – bis die Regeln wieder funktionieren. Nun scheint sich die Situation zu verschieben: Komplexe soziale Räume wie moderne ‚fraktale‘ oder ‚fluide‘ Organisationen oder Netzwerke nehmen die Qualitäten einer permanenten Improvisation an. Der Lebensstil des Übergangs und der Transformation wird gerade in globalen Krisen wie einer Pandemie zu einem der wichtigsten Merkmale des täglichen Lebens. Daher müssen sich auch Muster gemeinschaftlichen Organisierens, die ursprünglich eher lineare Planungs-, Entscheidungs- und Bewertungsmuster waren, an eine Situation der Komplexität und des Bewusstseins und an die Kunst (oder Technologie) der Improvisation anpassen.

Improvisation lehrt die in Krisen zentrale Fähigkeit einer ständigen Bereitschaft (eher: Wachheit, Achtsamkeit) und Fähigkeit zum Handeln im Augenblick (‚act-in-an-instant‘ – Dell, 2002, 2012). Alles andere ergibt sich aus der Situation und ihren Prozessen. Feld-, Netzwerk- und Variationsprinzipien sind die Kategorien des Handelns in ständiger Veränderung. Um in Situationen der Mehrdeutigkeit zu improvisieren, werden Wachsamkeit und Präsenz zu Schlüsselmerkmalen jeder Organisation oder jedes sozialen Systems. Improvisation positioniert sich als ein Prozess, der auch Engagement und Vertrauen, Selbstvertrauen der Akteure und ihre Interdependenz sowie biografische Merkmale des Einzelnen in einem Gruppenprozess berücksichtigt.

Die Kenntnis der eigenen und organisationalen Erfolgsmuster und die Fähigkeit, diese gemeinsam flexibel und kreativ zu kombinieren, eröffnet neue Potentiale, auf unplanbare und unvorhersehbare Situationen zu (re)agieren. An erstaunlich vielen Einzelbeispielen konnte das auch während der Pandemie beobachtet werden:

  • Hochschulen und andere Bildungsträger haben den unvermuteten Digitalisierungsschub nicht selten als Chance genutzt; manchmal (siehe Rasch et al., 2023 – in dieser Ausgabe) ergeben sich dabei unvermutete Chancen einer Neugestaltung in der Beziehung zwischen Hochschule, Lehrenden, Studierenden und lokalen Gemeinden/Stadtteilen/Kiez).
  • Eine kreative Vorstellung des Systems von Kindertagesstätten oder stationärer Jugendhilfe (Bremen, 2023 und Straus et al., 2023 – in dieser Ausgabe) – als Musikstück oder als improvisatorischer Tanz – öffnet nicht nur die Augen bei eingerosteten Routinen oder ‚knirschenden‘ Hierarchien, sondern erlaubt ggf. neue Töne oder mehr Bewegungsfreiheit in den Beziehungen zwischen den Systemelementen (hier: Jugendhilfeträger – Eltern – Kinder oder Jugendliche – Praktiker – lokaler Kontext).
  • Kommunen entdecken in der Krisenbewältigung jenseits von Vorschriften und Regeln, welche Potentiale manche Routinen beherbergen, wenn sie mit den Menschen vor Ort zusammengebracht werden (Trojan, 2023 – in dieser Ausgabe).
  • Insbesondere zivilgesellschaftliche Initiativen haben in der Pandemie neue kreative Formen der Bewältigung und gemeinschaftlicher Resilienz geprägt (Freudenberger & Renkes, 2023 – in dieser Ausgabe). Die in dieser Ausgabe dokumentierte ‚Allianz für Beteiligung‘ aus Baden-Württemberg ist ein hervorragendes Beispiel für eine gelungene Vernetzung.

Gemeinsam ist allen gelungenen Beispielen, dass sie über den Tellerrand professioneller Routinen hinausschauen und die Arbeit mit Klient:innen, Schüler:innen, Student:innen oder Bürger:innen mit dem systemischen Blick auf die Rahmenbedingungen verbinden.

 

Bereits Donald Schön (1983) verweist in seiner bekannten Beschreibung des ‚reflexiven Praktikers‘ auf die Herausforderung der Jazzmusiker, die Improvisation zu nutzen, um in unvorhersehbaren Situationen Kohärenz zu schaffen: Während die Musiker gemeinsam versuchen, eine kreative und inspirierende neue Klangdynamik zu entwickeln, verwenden sie metrische, melodische und harmonische Muster, mit denen sie alle vertraut sind, um die Melodie oder den Klang zu formen. Die Musiker erfassen meist nur intuitiv die Idee, wohin sich die Melodie aufgrund ihrer Darbietung entwickelt: Sie werden in der Lage sein, den neuen Sinn aufzugreifen und ihr individuelles Spiel auf das neue Ziel auszurichten. Erfolgreiche Improvisationen sind nicht nur inspirierende Beispiele für ‚reflexive Praxis‘, so Donald Schön, sondern gemeinschaftliche Improvisation kann auch als Grundlage einer neuen Praxis der Organisation komplexer Systeme mit innovativem Charakter gesehen werden (Johnson, 2011).

Improvisation unterscheidet nicht zwischen Denken und Handeln, sondern intensiviert die Bewegung zwischen den Systemen/Komponenten der Organisation und der Gemeinschaft im Augenblick. Improvisation fungiert daher wie ein ‚Regler‘ zwischen intersubjektiver Offenheit und solipsistischen Momenten der Subjektivität. Dann konvergieren intellektuelle Kognition, soziale Erfahrung und praktisch-intuitive Kompetenz – ebenso wie die Differenz zwischen dem Individuum und dem Kollektiv in sozialen Systemen und die Differenz zwischen Vergangenheit und Zukunft in der Zeit (Scharmer, 2009).

Improvisation funktioniert, weil sie eher Fragen stellt, als Antworten gibt. Sie enthält Differenz, Lücken, Lockerheit und Zwischenräume, die für die aktive Interpretationsarbeit der Akteure zur Verfügung stehen und so zur Qualifizierung ihrer Erfahrung beitragen (Hatch, 1999). In einem Improvisationsprozess entwickeln die Akteure jene Sensoren, die sie brauchen, um die Ambivalenz einer Situation unmittelbar zu erfassen, zu interpretieren und nutzbar zu machen. Cunha sagt vereinfachend (2005): „Im Improvisationsmodus handeln Menschen während sie lernen und sie lernen während sie handeln.“

Die Kunst der Improvisation ermöglicht es somit, ‚serendipity‘ als Lernprozess zu integrieren, und ein pro-aktives Lernen (‚deeper learning‘)16 zu fördern (Yee, Sliwka & Rautiainen, 2018; Sliwka & Klopsch, 2022). Die rationale Analyse wird nicht ausgeschlossen, im Gegenteil! Aber der performative Aspekt des Lernens und Handelns (Stark et al., 2018) wird in den Mittelpunkt gestellt. Die Analyse im Kontext der Improvisation konzentriert sich auf die Neuanordnung und Neuinterpretation von Material, das im Improvisationsprozess gesammelt wird.

 

Wie sich ‚Lernen‘ von der Wissensvermittlung zum lebendigen Austausch wandeln kann mit der Inspiration künstlerischer Ansätze, hat ein soziales Experiment während der 9th International Conference on Community Psychology in Neapel 2022 gezeigt. In einem Tagesworkshop näherten wir uns der Thematik ‚Community Resilience‘ von drei Blickwinkeln: dem künstlerischen, der Alltagserfahrung und der sozialwissenschaftlichen Perspektive. Aufgebaut war der Workshop wie eine Tanzchoreografie, in der sich die verschiedenen Blickwinkel (repräsentiert durch die Teilnehmer) begegneten, annäherten, entfernten, sich darstellten oder zurückzogen. Die Bewegung der Teilnehmer:innen öffnete faktisch und metaphorisch den Raum für ‚community resilience‘. In drei ‚Performances‘ wurde ‚community resilience‘ dann jeweils unter einem anderen Blickwinkel betrachtet:

  • Der künstlerische Ansatz nutzte Inputs aus der Musik, der Malerei und dem Improvisationstheater. Diese Inputs wurden in der Folge in Kleingruppen mit künstlerischen, erfahrungsbezogenen und sozialwissenschaftlichen ‚Augen‘ reflektiert.
  • Im erfahrungsbezogenen Blickwinkel bestanden die Inputs aus ‚community stories‘, die persönliche und kollektive Erfahrungen während der Pandemie repräsentierten. Wieder die Reflexion in Kleingruppen: Worin besteht die Schönheit oder der künstlerische Wert der erzählten Geschichten? Wie haben sie eigene oder gemeinsame Erfahrungen verändert? Welche sozialwissenschaftlichen Analysen lassen sich damit verbinden?
  • Der sozialwissenschaftliche Input (Untersuchungen, Ergebnisse, Konzepte) war in der dritten Performance zwar der vertrauteste für die Teilnehmer:innen, wurde aber hier bereits von den künstlerischen und erfahrungsbezogenen Blickwinkeln berührt.

Diese gemeinsame, multidimensionale neue Betrachtungsweise von ‚community resilience‘ bereicherte und veränderte alle Teilnehmer:innen in ihren jeweiligen kulturellen Kontexten.17

 

Menschen in sozialen Systemen lernen durch Analyse, Intuition oder Improvisation (Mintzberg & Westley, 2001). Die Analyse ist ein strukturierter Prozess, der zu überraschenden Erkenntnissen führen kann, aber nicht muss. Der analytische Modus geht von der Annahme aus, dass eine ontologische Basis aus bestehenden Situationen externalisiert wird. Der intuitive Modus bezieht seine Lernergebnisse aus dem Herstellen von Verbindungen, die vorher nicht vorgeschlagen wurden. Der improvisatorische Modus ist ganz anders strukturiert: Die Menschen handeln nicht nur, um zu lernen, sondern sie versuchen auch, analytische Rahmen in die Handlung einzubauen, die dann selbst zu einem Lernlabor für den ‚reflektierenden Praktiker‘ (Schön, 1983) wird. Graebner (2004) hat gezeigt, dass eine wichtige Quelle für die Schaffung von Werten eine Art der Sensibilität oder Spürsinn (‚serendipity‘) ist, die durch den Kontakt mit verschiedenen Praktiken entsteht.

Für die Entwicklung gemeinschaftlicher Resilienz – das zeigen auch einige der in diesem Band versammelten Beiträge aus unterschiedlichen Handlungsfeldern – brauchen wir den Modus der ‚serendipity‘ (Eco, 1999), der Improvisationsprozessen zugrunde liegt. Dieser Modus zielt darauf ab, die Überraschung zu nutzen: einen Prozess auszulösen, der vorhandene und identifizierte Muster immer wieder neu zusammensetzt und dadurch neue Lösungsmöglichkeiten erschließt, die unterschiedliche Formen der Überraschung bieten. Das bedeutet, dass diejenigen, die sich in der Improvisation üben, sich auch darin üben, Muster zu erkennen, die andere übersehen, und dass sie Muster pragmatisch und subtil einsetzen – als eine Ebene unterhalb der rationalen Planungs- und Gestaltungsmuster.

 

4 Eine performative Mustersprache für gemeinschaftliche Innovation: eine Verknüpfung rationaler Entscheidungen, zivilgesellschaftlichem Erfahrungswissen und Kreativität zu einer Kunst der Improvisation für Gemeinschaften

Wenn wir die Muster (und damit die Erfahrung und das Wissen, die sie verkörpern) als grundlegende Elemente für den Umgang mit Komplexität und Mehrdeutigkeit nutzen, können wir in unseren sozialen Systemen eine 'Performative Pattern Language' performativer Handlungsmuster für gemeinschaftliche Resilienz entwickeln (Schümmer et al., 2014). Die Fähigkeit, kreativ mit den eigenen Erfahrungs- und Handlungsmustern umzugehen und die Kunst der Improvisation in einer ‚nur vermeintlich‘ rationalen und strukturierten Situation einzuüben, kann ein Schlüsselfaktor für das Überleben in einer Welt der Unvorhersehbarkeit und des Zufalls sein. Muster kreativen Handelns müssen mit rationalen Mustern interagieren können, um in ihrer Kombination das eigentliche Potenzial freizusetzen. Daher ist die Identifizierung das kreative Nutzen von Mustern impliziten Wissens (performative oder improvisatorische Muster), wie sie in der Musik vorkommen, wichtig für das Verständnis und den Umgang mit kodifizierten und dokumentierten Verfahren. Dies ist das, was wir ‚Improvisationsfelder‘ in Gemeinschaften und sozialen Systemen nennen. Es ist eine Handlungsebene, auf der Erfahrung und Intuition neue Strukturen und Bewegungen schaffen, die parallel zum rationalen Denken verlaufen.

In Gemeinschaften können performative Handlungsmuster eingesetzt werden, um mit noch unbekannten Herausforderungen auf kreative Weise umzugehen und neue Lösungen für gegebene Probleme zu finden. Im Gegensatz zu Bedienungsanleitungen und Benutzerhandbüchern definieren sie die Prinzipien von Lösungen, die an eine Vielzahl von Umgebungen und Situationen angepasst werden können.

Die Analyse von performativen Mustern in Organisationen basiert zwar auf C. Alexanders (1977) Konzept der ‚Mustersprache‘, entwickelt jedoch eine transformative Nutzung von Mustern in Gemeinschaften (Keidel, 1995; Manns & Rising, 2005) und sozialen Systemen (Schuler, 2008). Diesem Konzept zufolge entfalten und verändern sich Muster innerhalb der Werte und Prinzipien spezifischer Gemeinschaftskulturen als flexible Formen der Problemlösung, die sich in der Praxis als tragfähig und erfolgreich erweisen. Es hat viel mit dem Konzept der sich entfaltenden Ganzheitlichkeit gemein, die in Alexanders letzten Arbeiten (Alexander, 2004; Alexander et al., 2013) vorgestellt wurde.

Gemeinschaftliche Handlungsmuster können der Schlüssel zum Verständnis der Prinzipien sozialer Systeme und Gemeinschaften und der tiefen Ebenen – ‚des Unbekannten‘ – komplexer moderner Zivil- und Organisationskulturen sein. Allerdings müssen gemeinschaftliche Aktionsmuster heute über den Status quo in einer Gemeinschaft hinausgehen und Flexibilität zusätzlich zur Stabilität fördern. Damit schaffen und entdecken sie neue Formen von Beziehungen (‚Serendipity‘ – Cunha, 2005) zwischen bekannten Handlungsmustern, zwischen Menschen und Dingen/Räumen (Latour, 2007). Sie ermöglichen ein Wechselspiel zwischen ‚Bewegungen‘ und ‚Strukturen‘: d. h. Bewegungen als kreative Entfaltungen starker Zentren, die durch wahrgenommene Spannungen ausgelöst werden, und Strukturen als integrative Ordnung, die die verschiedenen Bewegungen zu einem kohärenten Ganzen verbinden. Die Prinzipien von Mustern und Mustersprachen (die ‚Muster der Muster‘) können dann der doppelten Herausforderung gerecht werden, sowohl Kontinuität als auch Variabilität zu bieten, wie sie in nichtlinearen Systemen vorkommen (Brockman, 1996). Auf dieser Grundlage lässt sich unser Ansatz mit Arcidiaconos Konzept des Gemeindepsychologen als 'kollaborativ-reflektierendem Klempner' – einem Spezialisten der zweiten (Meta-)Ebene – verbinden (Arcidiacono, 2017). Zusammen mit anderen Ansätzen können wir so die nächste Ebene der Gemeindepsychologie erreichen.

 

5 Zusammenfassender Ausblick

In diesem Beitrag wurde versucht, eine weniger offensichtliche, eher verborgene Seite des impliziten Wissens in Gemeinschaften, Organisationen und sozialen Systemen zu beleuchten, die sich als wichtig erweist, wenn es um effektive Innovation und Maßnahmen in globalen Krisen geht. Basierend auf der Inspiration und Technik der Improvisation in der Musik und anderen künstlerischen Formen haben wir die ersten Schritte zur Etablierung einer performativen Mustersprache für Gemeinschaften und soziale Systeme erörtert, die den Menschen hilft, Muster des kollektiven impliziten Wissens als zentralen Bestandteil von Innovation und Lernen in sozialen Systemen kreativ einzusetzen.

Die Gesellschaft im Krisenmodus hat – bei allen schwierigen Situationen und Schicksalen, Beeinträchtigungen und Ärgernissen – auch zahlreiche praxisnahe und überraschende Beispiele gemeinsamen improvisatorischen Handelns gezeigt, die wir nicht vergessen sollten – in unserem Bestreben, möglichst schnell eine vermeintliche Normalität zu erreichen. Im Gegenteil: Wir sollten die Erkenntnisse und Erfolgsmuster aus diesen positiven Beispielen gezielt auswerten und nutzen, bevor wir von der nächsten Krise überrollt werden.

Dieser in diesem Aufsatz vorgeschlagene Ansatz, sich vom impliziten Wissen der Gemeinschaft und der Kunst der Improvisation inspirieren zu lassen, um gemeinschaftliche Resilienz zu erreichen, ist deshalb herausfordernd, weil er den eingeübten Routinen des rationalen Denkens und hierarchischer Strukturen widerspricht, auf denen wir uns – auch und gerade – in offenen Situationen so gerne ‚ausruhen‘. Deshalb soll dieser Aufsatz mit einer Geschichte von Julian Rappaport (2000) abgeschlossen werden:

„Eine meiner Lieblingsgeschichten ist die eines Mannes, der auf einem steilen Bergpfad wanderte. Je höher er kam, desto schmaler wurde der Weg. An einer Wegbiegung rutschte er auf einer ausgesetzten Stelle aus und der Schotter unter ihm gab nach. Er stürzte über eine Klippe, schaffte es aber, sich am Ast eines Baumes festzuhalten, der aus dem Rand der Klippe ragte. Mit einer Hand hielt er sich fest und blickte nervös nach unten auf die zerklüfteten Felsen. Er schrie um Hilfe. In diesem Moment hörte er eine dröhnende Stimme aus dem Himmel sagen: „Ich werde dir helfen, sobald du loslässt“. Er schaute auf die scharfkantigen Felsen, die ihn unten erwarteten, und antwortete: ‚Gibt´s noch jemand anderes da oben?‘“ (Rappaport, 2000, S. 23; übersetzt von W. S.).

 

Endnoten

  1. Key-Performance-Indicators (KPI) bzw. Leistungskennzahlen messen und/oder ermitteln den Fortschritt oder den Erfüllungsgrad wichtiger Zielsetzungen oder zentraler Erfolgsfaktoren in einer Organisation oder einem Unternehmen.
  2. In der Kulturwissenschaft und der Technikgeschichte wird dieses Phänomen und die dazu gehörige Sensibilität der Wahrnehmung als „Serendipity“ bezeichnet: verantwortlich für einen großen Teil von technischen und gesellschaftlichen „Sprunginnovationen“, die nur in ganz seltenen Fällen (wenn überhaupt) aus verbesserter und effektiverer Planung entstanden sind (vgl. Eco, 2001; „Dem Zufall auf die Sprünge helfen“ – Interview mit Wolfgang König in brand eins 10/2008, Schwerpunkt: Improvisation)
  3. https://communitystory.online/ and https://www.ecpa-online.com/new-bank/
  4. Das ist einer der Gründe, weshalb das European Council mit der ‚Faro Convention‘ den Austausch und das Erzählen von Geschichten in der Gemeinschaft zu einem immateriellen Kulturerbe erhoben hat (https://www.coe.int/en/web/culture-and-heritage/-/people-places-stories-faro-convention-inspired-experiences).
  5. https://www.howwethrive.org/
  6. aus: The New Bank of Community Stories (http://communitystory.online/)
  7. http://communitystory.online/
  8. https://www.bmu-musik.de/spendenaktion/
  9. https://stoa169.com/de/idee/
  10. https://de.wikipedia.org/wiki/Stoa
  11. https://behavioralscientist.org/how-practical-wisdom-helps-us-cope-with-radical-uncertainty/
  12. Muster und Mustersprachen (Alexander et al., 1977) sind in einigen Disziplinen (Städtebau, Architektur, Softwareentwicklung) ein schon länger bekannter Ansatz, um erfahrungsbasiertes Wissen in sozialen Systemen zu erkennen und zu teilen. Sie beruhen auf praktischer Weisheit: Implizites Erfahrungswissen – sowohl als individuelles, mehr noch als kollektives Wissen ist oft verborgen oder unbewusst – wird so systematisiert und zu evaluierten und erfolgreichen Handlungsmustern verdichtet.
  13. Die Mustertheorie wurde ursprünglich von dem Architekten und Mathematiker Christopher Alexander entwickelt (Alexander et al., 1977, 2004; Leitner, 2015). Verankert ist der Ansatz im philosophischen und soziologischen Konzept des Erfahrungslernens – John Dewey (1987) und Michael Polanyi (1966) sind die bekanntesten Vertreter. Die Mustertheorie wird heute in so unterschiedlichen Disziplinen und Bereichen wie Architektur und Stadtplanung (Jacobs, Macdonald & Rofe, 2006), Softwareentwicklung (Eckstein, 2014), Pädagogik (Baumgartner, 2014) und Organisationsentwicklung (Stark et al., 2017) als Grundlage verwendet. Erfolgreiche Lösungen oder Handlungsmuster werden analysiert und identifiziert, um kreativ mit wiederkehrenden und neuen Herausforderungen umzugehen.
  14. ‚Minimal structures, maximal autonomy‘ ist laut Barrett (2012) eine der sieben Grundprinzipien der Improvisation.
  15. ‚Muddling through‘ ist der dazugehörige englischsprachige Begriff.
  16. ‚Deeper learning‘ ist ein innovativer pädagogisch-didaktischer Ansatz (https://de.wikipedia.org/wiki/Deeper_Learning). Wegen der Begriffsähnlichkeit nicht verwechseln mit ‚deep learning‘ – der aktuellen Form des Maschinenlernens (https://en.wikipedia.org/wiki/Deep_learning).
  17. Genaueres zur Konzeption von Workshops als Tanzchoreografie bei Interesse bei wolfgang.stark@bitte-keinen-spam-stw.de.

 

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Autor

Wolfgang Stark

wolfgang.stark@bitte-keinen-spam-stw.de

Wolfgang Stark war von 1998-2019 Professor für Organisationspsychologie, Organisationsentwicklung und Gemeindepsychologie an der Universität Duisburg-Essen. Dort Gründer und Leiter des Labors für Organisationsentwicklung (2001-2015) und Gründer und wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für gesellschaftliches Lernen und soziale Verantwortung – UniAktiv (2005-2015). Aktuell ist er Direktor des Steinbeis Transferzentrums Innovation and Sustainable Leadership (www.steinbeis-isl.de) in Pähl.

Nach dem Studium der Psychologie, Pädagogik und Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg war er ab 1980 im Max-Planck-Institut für Psychiatrie und an der LMU München tätig. Von 1986-1998 Aufbau und Co-Leitung des Selbsthilfezentrums München (https://www.shz-muenchen.de).

Er hat zahlreiche (internationale) Forschungs- und Lehrprojekte im Bereich Organisation, Innovation und Kultur, zu Fragen der Gemeinschaftsbildung, des Empowerment und der ge­sellschaftlichen Verantwortung durchgeführt. Aktuell interessieren ihn Fragestellungen zum (impliziten) Erfahrungswissen in Organisation und Gesellschaft und zur Fähigkeit, mit komplexen Situationen flexibel und kreativ umzugehen (Improvisationsforschung, künstleri­sches Denken).

Seine Arbeit wurde durch zahlreiche Preise national und international gewürdigt (u. a. Jimmy-and-Rosallyn-Carter Foundation (2008), Deutschland – Land der Ideen (2008), Best Practice Social Entrepreneurship Award (2009), Ort des Fortschritts NRW (2014)).

2011-2017 war er Sprecher des Hochschulnetzwerks ‚Bildung durch Verantwortung’ (www.netzwerk-bdv.de), zu dessen Gründungsmitgliedern er gehört.

Seit 2001 ist er Gastdozent am Instituto Superior Psicologia Aplicada in Lisboa; seit 2010 Direktor des Steinbeis Transferzentrums Innovation and Sustainable Leadership, seit Ende 2015 Gastwissenschaftler beim Strascheg Center for Entrepreneurship in München (http://www.sce.de/entrepreneurship.html), Visiting Fellow an der VU Vrije Universiteit Amsterdam (https://vu.nl/en) und Mitdenker im Ammersee Denkerhaus (http://www.ammersee-denkerhaus.de). Seit 2020 Mitgründer der internationalen ‚New Bank for Community Ideas and Solutions – Neue Ideenbank für Gemeinschaft und Gemeinsinn‘ (http://www.ecpa-online.com/new-bank/).



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