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Anstieg "depressiver Störungen" im neoliberalen Kapitalismus? Kritisch-psychologische Anmerkungen zu Methode und Ergebnissen der Depressionsforschung

Leonie Knebel
[Forum Gemeindepsychologie, Jg. 18 (2013), Ausgabe 1]

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund ungelöster methodischer und definitorischer Probleme wird die Debatte um die Zunahme depressiver Störungen kritisch beleuchtet. Befunde aus der Epidemiologie und arbeitsbezogenen Stressforschung legen einen Zusammenhang zwischen einzelnen Faktoren (z.B. prekäre Beschäftigung) der allgemeinen gesellschaftlichen Umstrukturierung und einer Zunahme und Präsenz depressiver Symptome nahe, ohne die komplexen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte selbst zu analysieren. Die Studie von Alain Ehrenberg nähert sich der Depression auf eine historische und diskursanalytische Art. Damit kann sie längerfristige Veränderungen hegemonialer psychiatrischer und gesellschaftlicher Denkweisen und deren Einfluss auf die Subjektivität nachzeichnen, die Analyse jedoch hängt an einigen Stellen mangels einer eigentlichen Gesellschaftstheorie des neoliberalen Kapitalismus in der Luft. In Auseinandersetzung mit den genannten Befunden und Theorien werden Überlegungen zu einem kritisch-psychologischen Verständnis und einer Prävention depressiver Zustände angestellt.

Schüsselwörter: Prekarisierung, Depression, Kritische Psychologie, Neoliberalismus, Stressforschung, das erschöpfte Selbst

Summary

Increase in "Depressive Disorders" in Neoliberal Capitalism? Critical-Psychological Considerations on Methods and Findings in the Research on Depression

The debate on the increase in depressive disorders is critically engaged with in light of unresolved methodological and conceptual problems. Findings from research on epidemiology and work-related stress suggest a causal relationship between individual aspects of general societal restructuring (such as precarious employment) and an increase in and presence of symptoms of depression. However, they do so without analyzing the complex developments and shifts of recent decades themselves. Alain Ehrenberg’s study approaches depression through a historical-philosophical and discourse-analytical lens. Thus Ehrenberg is able to identify and reconstruct long-term shifts in the hegemonic psychiatric and societal way of thought and its impact on subjectivity. Due to the lack of an actual social theory of neoliberal capitalism, Ehrenberg’s analysis is, in many respects, hanging in the air. In critical engagement with the aforementioned research findings and theories, considerations are developed towards a critical-psychological conceptualization and prevention of depression.

Key words: precarization, depression, Critical Psychology, neoliberalism, stress research, The Fatigue of Being Oneself



Hohe Prävalenzzahlen für psychische Störungen1 und zahlreiche Berichte der Krankenkassen über zunehmende Fehlzeiten und Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Störungen haben in Fachkreisen zu einer Diskussion geführt, ob psychische und insbesondere depressive Störungen wirklich zugenommen haben (Pro und Kontra vgl. Spießl & Jacobi, 2008) und welche (sozialen) "Ursachen" das haben könnte. Nach aktuellen Schätzungen waren 8,2% der erwachsenen deutschen Bevölkerung bis 79 Jahre2 innerhalb von 12 Monaten von einer unipolaren Depression betroffen (Wittchen & Jacobi, 2012), 1998 waren es nach einer anderen Umfrage noch 10,9% der Erwachsenen bis 65 Jahre (Wittchen & Jacobi, 2001). Frauen und Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status sind überdurchschnittlich häufig betroffen. Der französische Soziologe Alain Ehrenberg warf in "Das erschöpfte Selbst" (1998, dt. 2004) die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Depression und den allgemeinen gesellschaftlichen Umbrüchen der letzten Jahrzehnte auf. Dabei prallen unterschiedliche Forschungstraditionen, Begrifflichkeiten, Methoden und Herangehensweisen aufeinander, die nicht vereinbar und kaum integrierbar sind. Unter Bezug auf die Theorie- und Methodenkritik der Kritischen Psychologie an der traditionellen Psychologie soll der Versuch unternommen werden, das Begriffswirrwarr zu lichten und Fragen nach einer angemessen Methode zur Erforschung depressiver Zustände aufzuwerfen.

Methodische Probleme in der Erfassung und Definition depressiver Zustände

Die Begründer der interpersonellen Therapie für Depression Klerman und Weissman (1989) riefen als erste das "Zeitalter der Depression" aus, nachdem sie festgestellt hatten, dass jüngere Geburtenjahrgänge häufiger depressiv waren (sog. Alterskohorteneffekt). Als Ursachen wurden damals sog. soziale Faktoren wie Urbanisierung, größere Mobilität und schnellere Veränderungen der Lebensbedingungen oder die sinkende soziale Unterstützung durch Veränderungen in den Familienstrukturen diskutiert (vgl. Wittchen & Jacobi, 2006). Es wurde allerdings vielfach darauf hingewiesen, dass ein altersabhängiges Methoden-Artefakt bei dieser Art des Studiendesigns nicht ausgeschlossen werden könne (ebd.). Damit ist ein geringeres Wahrnehmen, Benennen oder schlechteres Erinnern depressiver Symptome mit zunehmendem Alter gemeint. Dieser Effekt könnte auch für die leichte Abnahme der Prävalenz verantwortlich sein, da in die neueste Schätzung Personen zwischen 66 und 79 Jahren aufgenommen wurden, die tendenziell weniger von depressiven Symptomen berichten. Eine weitere Problemdimension tut sich auf, wenn man sich die Historizität der Begrifflichkeiten vergegenwärtigt, wie Alain Ehrenberg dies für die Diagnosen Depression und Neurasthenie (der "Modekrankheit" des 19. Jahrhundert) unternimmt: Sowohl für die Neurasthenie als auch für bestimmte Formen der Depression sind Müdigkeit und Erschöpfung zentral. 1898 schrieb ein Arzt: "Heute weiß jeder, was der Begriff Neurasthenie bedeutet - zusammen mit dem Wort Fahrrad ist es einer der gebräuchlichsten Begriffe der Zeit" (Fleury, zitiert nach Ehrenberg, 2004, S.14). Der Erfinder der Neurasthenie, George Beard, habe sie als Krankheit des modernen Lebens bezeichnet, denn sie resultiere aus "der Hektik der neuen Zeit, der Industrie und der Großstadt" (Beard, 1869; zitiert nach Ehrenberg, 2004, S. 51). Daran schließt sich die Frage an, ob der Burn-out-Begriff, der in Medien und im Alltagsdiskurs in aller Munde ist, etwas anderes meint als eine bestimmte Form der Depression.

Der Arbeits- und Sozialmediziner Andreas Weber und seine Kollegen nahmen den viel diskutierten Anstieg an psychischen Störungen (den sie nicht anzweifeln) zum Anlass, um den steigenden Leistungsdruck und schlechtere Arbeitsbedingungen zu kritisieren und gesellschaftliche Missstände zu skandalisieren. Sie schrieben im Deutschen Ärzteblatt: "Die massiven Veränderungen von Arbeitswelt und Gesellschaft bewirken nach Meinung vieler Experten eine Zunahme psychischer und psychosomatischer Erkrankungen (insbesondere depressiver Störungen und Angststörungen) - diese Leiden können als 'Epidemie des 21. Jahrhunderts' bezeichnet werden" (Weber, Hörmann & Köllner, 2006, S. 838). Andere lehnen es ab, von einer "Epidemie" oder von einem "Age of Depression" zu sprechen (vgl. Spießl & Jacobi, 2008). Zunehmende soziale Ungleichheit (Mautz & Jacobi, 2008), Arbeitslosigkeit oder schlechte Arbeitsbedingungen werden jedoch als mögliche Faktoren zur Erklärung für die Zunahme psychischer Störungen herangezogen (Jacobi, 2009). Faktoren wie niedriges Einkommen, Arbeitslosigkeit, knappe materielle Ressourcen und geringerer Ausbildungsstand hätten alle unabhängig Zusammenhänge mit erhöhten Raten depressiver Erkrankungen. Belastende Lebensbedingungen und Lebensereignisse, insbesondere in Kombination mit schlechten sozialen Unterstützungsressourcen, ergäben ebenfalls ein erhöhtes Risiko, so Wittchen und Jacobi (2006). Nach einer Umfrage der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (Kordt, 2005) sind zahlreiche Experten der Ansicht, dass die zunehmenden "Arbeitsbelastungen bei gleichzeitigem Wegfall sozialer Strukturen" (S. 68) für die Zunahme depressiver Erkrankungen mitverantwortlich seien.

Richter, Berger und Reker (2008) hingegen kamen in einer systematischen Literaturübersicht zu der Einschätzung, dass in internationalen Langzeitstudien kein eindeutiger Trend hinsichtlich einer Zunahme psychischer Störungen aufgrund des sozialen Wandels nachweisbar sei. Sie kritisierten zudem, dass dafür angeführte psychiatrisch-epidemiologischen Studien und Berichte über Krankheitstage und Frühberentungen durch psychische Störungen keine Schlussfolgerung zuließe, ob psychische Störungen tatsächlich zugenommen hätten. Es könnte auch Ausdruck einer höheren Inanspruchnahme sein, weil psychische Störungen eher erkannt und behandelt würden. Ein Problem dieser Übersichtsstudie besteht allerdings darin, dass Studien mit Erhebungszeitpunkten seit den 1940er Jahren aufgeführt werden, die Diagnosekriterien sich aber die letzten Jahrzehnte erheblich verändert haben. Die momentan noch aktuellen Diagnosekriterien für psychische Störungen (DSM-IV, vierte Überarbeitung des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der APA) werden allerdings erst seit den 90er Jahren in den meisten klinischen, epidemiologischen und Public-Health-Studien verwendet; mit dem DSM-III wurden 1980 überhaupt erst explizite diagnostischen Kriterien in die Klassifikationssysteme eingeführt (Wittchen & Jacobi, 2006). Für das DSM-V, welches im Mai 2013 erscheint, wurde angekündigt, dass Trauer als Exklusionskriterium für die Diagnose einer Major Depression mit dem Argument, dass ansonsten logischerweise bei jedem Verlust oder jeder Enttäuschung keine Depression diagnostiziert werden dürfte, gestrichen werde (Kendler, 2010), was zu Mehrdiagnosen führen dürfte. Das ICD-9 (International Classification of Disease der WHO) wurde erst 1998 vom aktuellen, in Deutschland gültigen ICD-10 abgelöst. Je nach Klassifikationssystem gibt es eine "Major Depression" bzw. eine "Depressive Episode" im heutigen Sinne erst seit 1980 bzw. 1998. Im ICD-9, das nach (aus heutiger Sicht überholten) ätiologischen Gesichtspunkten ausgerichtet war, fiel die endogene Depression noch unter die Psychosen und die reaktive wie neurotische Depression unter Neurosen. Eine reaktive Depression würde heute je nach Diagnostiker entweder als Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, Burn-out oder depressive Episode klassifiziert, möglich wäre auch eine Neurasthenie, welche allerdings aus der Mode gekommen ist.

Zudem werden in epidemiologischen Studien teilweise Fragebögen zur Erfassung depressiver Symptome statt strukturierter Interviews zur Diagnostik depressiver Störungen verwendet. Depressive Symptome können allerdings bei vielen psychiatrischen Diagnosen auftreten: Man denke nicht nur an die (Posttraumatischen) Belastungsstörungen und bipolaren Störungen, sondern auch an Demenzerkrankungen, Folgen eines Alkoholentzugs und die Negativsymptomatik bei Schizophrenien. Mit anderen Worten: Die Vergleichbarkeit der Studien ist nicht gewährleistet.

In dem Pro-Kontra-Artikel (Spießl & Jacobi, 2008) hinsichtlich einer Zunahme psychischer Störungen heißt es u.a.: Bezöge man den "Recall Bias" (Erinnerungseffekt) in die Prävalenzberechnung mit ein, müsste bei Männern von einer Lebenszeitprävalenz der Depression von 30% und bei Frauen von 40% ausgegangen werden. "Damit wären die bisherigen Prävalenzzahlen völlig hinfällig, da viel zu niedrig" (ebd., S. 319). Unklar sei außerdem, ob der Einbezug weiterer Störungskategorien (z. B. Burn-out) bzw. eine Reaktivierung früherer diagnostischer Kategorien (z.B. Neurasthenie) in entsprechenden Schätzungen eine Zunahme belegen würde (ebd.).

Wie Ehrenberg treffend feststellt, zeichnet sich das depressive Erscheinungsbild durch "maximale Universalität" und "extreme Heterogenität" (2004, S. 104) aus. Der Begriff Depression sei zum Synonym für psychisches Leiden überhaupt geworden, das Chaos sei heute nur kodifiziert und die Verwirrung versteckt (ebd., S. 102). Eine solche Position wird von einem naturwissenschaftlich-positivistischen Standpunkt jedoch zurückgewiesen: Wittchen und Jacobi gehen davon aus, dass die Konfusion um das Wort Depression, nicht auf dessen unklarer Definition beruht, sondern dass die "durchaus zuverlässigen und trennscharfen diagnostischen Kriterien für depressive Erkrankungen" (2006, S. 2) nur noch keinen breiteren Eingang in die klinische Praxis und Öffentlichkeit gefunden hätten. Obwohl Spießl und Jacobi selbst zahlreiche begriffliche und methodische Probleme anführen und einräumen, dass eine Aussage über die Zunahme noch nicht geklärt sei, kommen sie zu dem Schluss, dass auch durch eine "gefühlte Zunahme" (2008, S. 320) Handlungsbedarf hinsichtlich einer besseren Versorgung bestehe. Der Anteil nicht erkannter bzw. unbehandelter Patienten sei noch immer zu hoch, die Überweisungsrate in den psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachbereich und die Verordnung von Antidepressiva und Psychotherapie zu niedrig (ebd., S. 319). Die Pharmaindustrie und die Psychotherapeuten werden sich über eine solche Interpretation der Befunde selbstverständlich freuen.

Aus meiner Sicht kann aufgrund der massiven begrifflichen und methodischen Probleme die Frage, ob psychische Störungen oder Depressionen "wirklich" im Sinne von messbar zugenommen haben, gar nicht beantwortet werden, weil die Definition und damit die Operationalisierung und Erfassung psychischen Leidens bzw. depressiven Leidens nicht hinreichend geklärt ist. Das hieße allerdings auch, dass ein Versorgungsmangel gar nicht festgestellt werden kann, da die Schätzungen der Prävalenz selbst fragwürdig werden müssen, wenn die Frage, was eine "behandlungsbedürftige" Depression eigentlich ist und wer die Definitionsmacht darüber hat, offen ist.

Aufgrund dieser methodischen und theoretischen Grundprobleme, die sich nicht nur auf diesen Bereich der Psychologie beziehen, hat der Begründer der Kritischen Psychologie, Klaus Holzkamp, bereits 1970 die Ansicht vertreten, dass die psychologische Forschung durch eine sich im Zuge ihrer naturwissenschaftlichen Professionalisierung entfaltende Desintegration und eine unüberschaubare Anhäufung bedeutungsloser Einzelbefunde kennzeichne (vgl. 1972, S. 10f). Diese Auffassung wäre heute dadurch zu ergänzen, dass Integrationsbemühungen von Forschungsbefunden trotz ausgefeilter Kriterien anscheinend beliebige Ergebnisse hervorzubringen vermögen. Auch die Feststellung Holzkamps in der "Grundlegung der Psychologie" (1983), dass eine scheinbar einzelwissenschaftliche Kontroverse auf kategoriale Unklarheit in Methoden und Grundbegriffen hinweist (vgl. S. 30), kann auf die skizzierte Debatte bezogen werden, da der Begriff der Depression sowohl ätiologisch als auch deskriptiv nicht geklärt ist. Die Frage nach dem Erkenntnisinteresse, die Holzkamp 1970 in Anknüpfung an Habermas aufwarf, und die Frage, wer eigentlich von dem Postulat der "Zunahme depressiver Störungen" profitiert, ist beispielsweise im Zusammenhang mit der Einflussnahme der Pharmaindustrie auf Diagnosekriterien des DSM-IV (vgl. Cosgrove, Krimsky, Vijayaraghavan & Schneider, 2006) thematisiert worden. Für die Mitarbeit am DSM-V wurden zwar Obergrenzen von 10 000 US $ je Forscher pro Jahr festgelegt, allerdings geben nur drei von 12 Personen der Arbeitsgruppe "Mood Disorders" an, nicht von der Pharmaindustrie finanziert worden zu sein, einige besitzen sogar Aktien von Unternehmen, die Antidepressiva herstellen (vgl. DSM-V Mood Disorders Work Group, 2012). Wie Blech (2011) recherchierte, nehmen auch in Deutschland zahlreiche Psychiater, aber auch Psychologen wie der Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der TU Dresden, Hans-Ulrich Wittchen, Geld von Pharmafirmen an. Wittchens erklärtes Ziel besteht in der Steigerung der Behandlungsrate für psychische Störungen (vgl. u.a. Interview Deutsches Ärzteblatt, 2013).

Gesellschaftliche Bedingungen der Depression in der Stressforschung

Gibt es trotz der genannten Schwierigkeiten und Verstrickungen eine Relevanz der statistisch-quantitativen Depressionsforschung, die Erkenntnisse im Interesse der (potentiell) Betroffenen liefert? Im Folgenden wird versucht, herauszuarbeiten, was von den bestehenden Erklärungsansätzen zum Zusammenhang von gesellschaftlichen Bedingungen und Bedeutungen und depressiver Befindlichkeit hilfreich sein könnte. Der Grundgedanke der kritisch-psychologischen Re-Interpretation folgt dem traditionellen Vorgehen wissenschaftlicher Auseinandersetzungen und wird als "Einheit aus Kritik und Weiterentwicklung" (Markard, 2009, S. 299) bezeichnet. Die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der Erklärungsansätze kann jedoch an dieser Stelle nicht systematisch rekonstruiert werden. Es soll aber berücksichtigt werden, dass methodische Anordnungen eine "theoriengenerierende Funktion" (ebd., S. 301) erfüllen und "Daten im Lichte von Theorien produziert" (ebd.) werden.

In den letzten Jahren haben viele Studien die Auswirkungen der Umstrukturierungen in den entwickelten kapitalistischen Gesellschaften auf die psychische Gesundheit untersucht. Speziell für depressive Erkrankungen kamen Längsschnittstudien aus der arbeitsbezogenen Stressforschung zu folgenden Ergebnissen: Die US-amerikanische Forschergruppe um Dooley zeigte anhand von Daten der National Longitudinal Survey of Youth (1992-1994), dass nicht nur der Verlust des Arbeitsplatzes zu einem Anstieg der Depressionsrate bei jungen Erwachsenen führte, sondern auch der Abstieg in eine "inadäquate" Beschäftigung wie unfreiwillige Teilzeitarbeit oder Arbeit im Niedriglohnsektor eine erhöhte Depressionsrate zur Folge hatte. Umgekehrt konnte Depressivität zum ersten Zeitpunkt Arbeitslosigkeit zum zweiten Zeitpunkt, nicht aber "inadäquate" Beschäftigung vorhersagen (vgl. Dooley, Prause & Ham-Rowbottom, 2000). Eine britische Längsschnittstudie konnte zeigen, dass subjektiv eingeschätzte Arbeitsplatzunsicherheit, vermehrte Anforderungen, geringer Handlungsspielraum und ein Mangel an sozialer Unterstützung bei der Arbeit depressive und Angsterkrankungen vorhersagen konnten (Stansfeld, Clark, Caldwell, Rodgers & Power, 2008). Die Belstress Längsschnittstudie konnte dies für die Anforderungs-Kontroll-Unterstützungs-Prädiktoren nur bei Männern replizieren, für Frauen hingegen war ausschließlich ein geringer Handlungsspielraum prädiktiv für die Fehltage aufgrund depressiver Erkrankungen (Clumeck et al., 2009). Ebenfalls im Längsschnitt konnte nachgewiesen werden, dass geringe Kontrolle und Rollenambiguität Fehltage aufgrund von depressiver Erkrankung unter japanischen Arbeitern vorhersagen konnte (Inoue et al., 2010). Auch ein Ungleichgewicht zwischen Verausgabung und Belohnung bei der Arbeit erhöht das Risiko, eine Depression und andere Erkrankungen zu entwickeln, deutlich (vgl. Stansfeld, Fuhrer, Shipley & Marmot 1999; Godin, Kittel, Coppieters & Siegrist, 2005).

Die quantitativen Erhebungen zu psychisch gesundheitsschädlichen Wirkungen sozialer und beruflicher Belastungen beruhen häufig auf dem Anforderungs-Kontroll-Modell (JDC-Modell) von Robert A. Karasek (1979) und dessen Erweiterung um die Dimension der sozialen Unterstützung (u.a. Johnson & Hall, 1988) oder auf dem Modell beruflicher Gratifikationskrisen von Johannes Siegrist (1996). Chronischer Distress, der für Depressionen und andere Erkrankungen verantwortlich gemacht wird, entsteht je nach Modell entweder, wenn hohe Anforderungen, geringe Kontrolle über den Arbeitsprozess bzw. Handlungsspielraum (und ein Mangel an sozialer Unterstützung) gemeinsam auftreten oder die Verausgabung bei der Arbeit nicht mit der Belohnung bzw. Anerkennung in Einklang steht, so dass die soziale Reziprozität verletzt wird. Sowohl theoretisch als auch empirisch wird von einem Ursache-Wirkungsmechanismus zwischen Belastungen und Erkrankung ausgegangen. Die depressive Störung wird dabei als "natürliche" Reaktion auf krankmachende Bedingungen verstanden. Gesellschaftliche Bedingungen und berufliche Situationen werden zwar beachtet und auch kritisiert, sie werden jedoch in einzelne Variablen zerlegt, sodass gesellschaftliche Verhältnisse in ihrer Komplexität und ihrer Bedeutung für das Subjekt nur bruchstückhaft erfasst werden und in der Regel eine systematische Gesellschaftsanalyse und -kritik fehlt. Dass Menschen sich bewusst zu den Bedingungen verhalten können, wird zwar nicht geleugnet, kann empirisch jedoch nicht abgebildet werden, da die Bedingungen als Ursachen und nicht als potentielle Prämissen operationalisiert werden. Es wird demnach angenommen, dass Arbeitslosigkeit und andere Belastungen auf den Organismus "wirken" und Unwohlsein, Unmotiviertheitszustände, Distress, psychische und körperliche Krankheiten "verursachen". Holzkamp (1986) argumentiert, dass der Variablen-Ansatz Arbeitslose beforsche (anstatt mit ihnen zu forschen) und so ungewollt zu ihrer Stereotypisierung beitragen könne. So können Ergebnisse von "Studien, in denen die Arbeitslosen als apathisch, depressiv, isoliert, an gesellschaftlichen Aktivitäten desinteressiert, etc. erscheinen, genau besehen den Charakter von Diffamierung und Ausgrenzung einer gesellschaftlichen ‚Randgruppe' haben. Indem die Arbeitslosen hier einfach als arme Opfer der kapitalistischen Verhältnisse dargestellt sind, wird ihrer öffentlichen Abstempelung als nutzlos und untauglich ungewollt noch eine weitere Facette hinzugefügt, und damit ihre Situation objektiv verschlechtert" (ebd., S.19f). Holzkamp schlägt deshalb vor: "[G]esellschaftliche Verhältnisse müssen als Bedeutungskonstellationen, d.h. Handlungsmöglichkeiten für die Individuen - samt den darin liegenden Widersprüchlichkeiten und Beschränkungen - begriffen werden" (ebd., S.23). Der erste Schritt müsse in einer Bedingungsanalyse des Forschungsgegenstands bestehen, Arbeitslosigkeit stelle erstens objektiv eine "radikale und globale Einschränkung menschlicher Handlungsalternativen" (ebd., S.24) dar, egal wie sich der Einzelne dazu verhält. Zweitens müssten "positions- und lagespezifische Besonderheiten differenziert und drittens die ideologische Funktion des Arbeitslosenbegriffs beachtet werden" (ebd., S.24f). Aktuelle Bedingungs-Bedeutungsanalysen zur Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse und zunehmender Arbeitslosigkeit haben beispielweise Brinkmann, Dörre und Röbenack (2006) und Candeias (2003) vorgelegt. Als zweiten Schritt fordert Holzkamp eine subjektwissenschaftliche Begründungsanalyse, in der nicht die Subjekte, sondern die Welt, wie sie dem Subjekt gegeben ist, Gegenstand der Forschung sein soll.

Trotz der im Kern zutreffenden Kritik Holzkamps an einer quantitativen Beforschung Betroffener, kann m.E. eine "Häufigkeitsforschung", wie sie die Stressforschung betreibt, hilfreich sein, um den Zusammenhang zwischen objektiven Einschränkungen und psychischer Befindlichkeit zu thematisieren und in die Öffentlichkeit zu transportieren. Die Einschätzung Holzkamps, dass die Ausklammerung der Subjektivität durch Einteilung in Gruppen und Etikettierung ungewollt zur einer Ausgrenzung und Diffamierung der Betroffenen führt, sollte jedoch bei der Präsentation entsprechender Befunde unbedingt offen thematisiert werden. Eine kritische quantitative Bedingungsforschung kann subjektwissenschaftliche Fallstudien hinsichtlich der Generalisierbarkeit bestimmter Folgen objektiver Bedingungen ergänzen, obwohl die Zusammenhänge zwischen einzelnen Variablen (wie Arbeitslosigkeit und Depression) nicht für sich selbst sprechen, sondern erst vor dem Hintergrund einer Gesellschaftsanalyse interpretiert und in subjektwissenschaftlichen Analysen Prämissen und Gründe herausgearbeitet werden müssen. Eine quantitative Analyse ist deshalb hinsichtlich der Gründe oder Tiefenstruktur bestimmter Zusammenhänge viel spekulativer als qualitative Einzelstudien, was ihren Erkenntnisgehalt erheblich einschränkt. Diese Forschung erfasst immer nur durchschnittliche Tendenzen, und insofern es sich meistens um statistische Momentaufnahmen handelt, kann es ihr kaum gelingen, Veränderungen zu erklären oder die Komplexität gesellschaftlicher Verhältnisse abzubilden. Sie vermag allerdings, Hinweise zu liefern, dass Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung objektiv möglichkeits- und handlungseinschränkend sind, und zwar unabhängig davon, wie sich das einzelne Subjekt dazu verhält. Die Ergebnisse der Stressforschung können für die kritisch-psychologische Theoriebildung auch deshalb nutzbar gemacht werden, weil die beiden Stressmodelle von Karasek und Siegrist - ähnlich wie die Kritische Psychologie - von menschlichen Bedürfnissen gesellschaftlicher Art ausgehen, die, wenn sie verletzt bzw. längerfristig nicht befriedigt werden, psychische Störungen zur Folge haben können. Bei Karasek spielen Bedürfnisse nach Handlungsspielraum, Kontrolle bzw. Entscheidungsmacht (und sozialer Unterstützung) eine entscheidende Rolle, bei Siegrist sind es Bedürfnisse nach Anerkennung, Wertschätzung und sozialer Reziprozität. Aus kritisch-psychologischer Sicht kommt dem Bedürfnis nach Verfügung, Teilhabe und Integration ebenfalls eine entscheidende Rolle für das menschliche Wohlbefinden zu.

Differenzen ergeben sich allerdings hinsichtlich der Annahme in Karaseks JDC-Modell, dass sich das Bedürfnis nach Handlungsspielraum und Kontrolle nur auf die eigene Tätigkeit und Kompetenz im Arbeitsprozess bezieht. Dies ist theoretisch nicht begründet und reproduziert blind den Status Quo der kapitalistischen Arbeitsorganisation. Verfügung im Sinne der Kritischen Psychologie bezieht sich auch auf die Teilhabe an der Verfügung über den Produktionsprozess bzw. über die eigenen Lebensbedingungen. Karaseks Modell würde z.B. davon ausgehen, dass ein Fließbandarbeiter in einem genossenschaftlichen Betrieb per se weniger Handlungsspielraum hat als ein IT-Experte, der sich seinen Arbeitstag und seine Aufgabenerledigung frei einteilen kann. Das JDC-Modell ist - wie das Beispiel zeigt - der Kritik an den fordistischen Arbeitsverhältnissen verhaftet und kann die neuen Formen der Ausbeutung durch mehr Freiheitsgrade, wie sie beispielsweise Candeias (2003) schildert, analytisch nicht fassen. Problematisch an Siegrists Modell der Gratifikationskrisen ist die Annahme, dass der Arbeitsvertrag auf sozialer Reziprozität beruht (vgl. u.a. Siegrist, 2005). Damit klammert er Besitz- und Herrschaftsverhältnisse im Kapitalismus aus. Unter kapitalistischen Verhältnissen gibt es aus marxistischer Perspektive objektiv keinen "gerechten Lohn", weil der Profit nur durch die Ausbeutung der Ware menschliche Arbeitskraft zustande kommt. Der sich in einer grundsätzlich mächtigeren Position befindende Produktionsmittelbesitzer eignet sich einen Teil des durch Arbeit produzierten Werts an. Da Siegrists Modell darauf beruht, was subjektiv als ungerecht betrachtet wird, ist es höchst abhängig von gesellschaftlichen Diskursen und den jeweils gesellschaftlich hegemonialen Denkmustern und tendiert damit ebenfalls zu einer ideologischen Reproduktion des Bestehenden anstatt ebendiese Denkmuster kritisch zu hinterfragen.

Die Ergebnisse der Stressforschung re-interpretierend kann festgehalten werden: Es gibt vermutlich einen sinnhaften Zusammenhang zwischen der Zunahme inadäquater Beschäftigung, psychisch belastender Arbeitsbedingungen sowie der angestiegenen Arbeitslosigkeit und einer Zunahme an depressiver Befindlichkeit, weil diese Bedingungen die personale Handlungsfähigkeit objektiv einschränken. Wenn diese Behinderungen menschlicher Bedürfnisbefriedigung subjektiv als solche wahrgenommen werden und Möglichkeiten zur Veränderung nicht zur Verfügung stehen, beeinträchtigt dies nicht nur das Wohlbefinden und ruft Angst, Überforderung und Stress hervor, sondern hat für das Subjekt neben den psychischen längerfristig auch physiologische Konsequenzen, die sich in sog. Stresserkrankungen manifestieren. Warum jedoch bestimmte Symptome entstehen, bleibt weitestgehend ungeklärt. Hinter dem statistischen Risiko unter bestimmten Arbeits- und Lebensbedingungen depressive Symptome zu entwickeln, steckt vermutlich ein subjektiv empfundener Mangel an Handlungsfähigkeit, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht behoben werden kann. Glaubt jemand, dass er die Zeitarbeit als Sprungbrett in die Normalbeschäftigung nutzen kann, wird er sich vermutlich weniger eingeschränkt fühlen, als wenn jemand feststellt, dass er es nicht schaffen wird, obwohl er seine ganze Kraft dafür eingesetzt hat (vgl. subjektive Verarbeitung prekärer Beschäftigung in Brinkmann et al., 2006). Dass die subjektiven Prämissen eine entscheidende Rolle spielen, spiegelt sich in der Schwierigkeit wider, Zusammenhänge zwischen objektiven Arbeitsmerkmalen und psychischer Gesundheit nachzuweisen, weshalb meistens subjektive Einschätzungen der Arbeitsbedingungen verwendet werden.

Die Stressforschung beachtet zwar gesellschaftliche Bedingungen, aber nur in ihrer vermeintlichen Wirkung auf das Individuum. Komplexere gesellschaftliche Phänomene kann sie methodisch nicht erfassen. Hierfür gilt es, die psychologische Forschung gesellschaftstheoretisch zu untermauern und in Beziehung zu setzen zu allgemeinen Periodisierungen kapitalistischer Gesellschaftsformationen, wobei die gegenwärtige - aus dem Fordismus hervorgegangene - Periode als Neoliberalismus (manche sprechen auch von Finanzmarktkapitalismus) bezeichnet werden kann. Vor diesem Hintergrund lässt sich erkennen und erklären, warum sich beispielsweise die Prekarisierungsprozesse auch bei einem formell sicher beschäftigten Facharbeiter in einer erhöhten Angst vor Arbeitslosigkeit ausdrücken. Wie Brinkmann und Kollegen (2006) gezeigt haben, betrifft die Prekarisierung nicht nur die sog. atypisch Beschäftigten und Arbeitslosen, sondern prägt das gesellschaftliche Klima insgesamt. Darüber hinaus hat Candeias (2003) herausgearbeitet, wie neoliberale Ideologien als Anforderungen an die Subjekte die menschliche Psyche beeinflussen. Deshalb soll im zweiten Teil diskutiert werden, welche Rolle veränderte gesellschaftliche Diskurse für die Zunahme depressiver Störungen spielen.

Gesellschaftlicher Diskurs der Depression bei Ehrenberg

Alain Ehrenberg bedient sich einer Methode, die als historisch-diskursiv bezeichnet werden kann, um zu beantworten, warum und wie sich "die Depression als die am meisten verbreitete Störung durchgesetzt" (2008, S.13) hat. Dabei wird angenommen, dass psychische Krankheiten Auskunft über die Erfahrungen von Menschen und deren Veränderungen in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Veränderungen geben können (vgl. Ehrenberg, 2008, S.20). Diese Annahme erscheint auf den ersten Blick selbstverständlich, und doch ist eine solche Position in der akademischen Psychologie selten anzutreffen, da der Begriff der psychischen Störung an naturwissenschaftlicher Objektivität einbüßen würde, wenn er im Verhältnis zu gesellschaftlichen Veränderungen definiert werden müsste. Ehrenberg beschreibt zwei Wellen der Veränderung, die er für die Zunahme depressiver Störungen und diskursiver Präsenz in Medien und Fachzeitschriften verantwortlich macht. Für die erste Welle stehe die Forderung nach psychischer Befreiung, deren Kehrseite die unsichere Identität sei, für die zweite Welle stehe die Forderung nach persönlicher Initiative, deren Kehrseite die Unfähigkeit zu handeln sei (vgl. ebd., S. 305). Die Depression sei zunächst eine Krankheit der Veränderung gewesen, der Überfluss habe sie hervorgebracht und nicht die Wirtschaftskrise (ebd., S. 144). Nach den Normen der persönlichen Initiative, Selbstmotivation und Eigenverantwortung müsse allerdings "jeder selbständig sein, seine Affekte mobilisieren, statt äußeren Regeln zu entsprechen" (ebd., S. 222) und durch den Wegfall von Autoritäten entstünde die Schwierigkeit, eine Handlung zu beginnen, eine Entscheidung zu treffen, entstünden Gehemmtheit und Apathie (vgl. ebd., S. 219ff). Seine zentrale These lautet deshalb: "Die Emanzipation hat uns vielleicht von den Dramen der Schuld und des Gehorsams befreit, sie hat uns aber ganz sicher diejenigen der Verantwortung und des Handelns gebracht. So hat die depressive Erschöpfung die neurotische Angst überflügelt" (ebd., S.301). Nach Freud resultiert die Neurose aus dem Konflikt des Individuums mit der Gesellschaft, die verinnerlichten Normen und Sittengesetze führen zu einer Unterdrückung der Triebe und erzeugen so ein ständiges Schuldgefühl. Diese Konstellation ist nach Ehrenberg gesellschaftlich überholt, andererseits hält er am konflikthaften Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft fest, wenn er schreibt: "Die Emanzipation verschiebt die Einschränkungen, schafft sie aber natürlich nicht ab" (ebd., S. 172f). Trotzdem konstatiert er, die Depression sei durch die Abwesenheit eines Konflikts gekennzeichnet und entspreche daher eher dem Krankheitsmodells des Defektes. Zur epidemiologischen Debatte, ob depressive Symptome "wirklich" vermehrt auftreten oder die Betroffenen heute eher darüber sprechen und die Ärzte sie häufiger diagnostizieren, bezieht Ehrenberg keine Stellung. Beides gehört für ihn zum gesellschaftlichen Phänomen Depression.

Problematisch an Ehrenbergs Analyse sind aus meiner Sicht folgende Aspekte: Erstens nimmt er (insbesondere für die erste Welle) so etwas wie eine metaphysische Dialektik an, die alles, was ist, in ihr Gegenteil verkehrt. Dahinter steckt die der Psychoanalyse entlehnte Annahme, dass jede zivilisatorische Errungenschaft ("eigener Herr", Demokratie, Emanzipation) mit Einbußen in der psychischen Gesundheit vergolten wird ("wollen Götter sein", streben nach "Allmacht", müssen dafür "bezahlen"). Eine konkrete Erklärung hingegen, warum eine demokratische, emanzipative Gesellschaft depressive, identitätsunsichere Menschen hervorbringen sollte, wird nicht geliefert, es sei denn, man teilt die Annahme, dass der Mensch mit zu vielen Freiheiten und Wahlmöglichkeiten nicht umzugehen in der Lage und eine demokratische Gesellschaft oder freie Assoziation deshalb nicht möglich ist. Dazu passt Ehrenbergs Lesart der Psychoanalyse, welche die Menschen darin unterstütze, die Grenzen der eigenen Macht anzuerkennen (vgl. ebd., S.172) und gegebene Handlungsspielräume zu nutzen, mehr nicht. Ein zweites Problem liegt in der Methode der Diskursanalyse und der fehlenden politisch-ökonomischen Analyse der gesellschaftlichen Veränderungen begründet. Ehrenberg setzt gesellschaftliche Normen/Ideologien mit gesellschaftlicher Wirklichkeit gleich, da er nicht zwischen sozialer und sprachlicher Konstruktion und der Realität unterscheidet. Ohne eine Unterscheidung zwischen (ideologischer) Oberflächenerscheinung und (gesellschaftlicher) Tiefenstruktur ist Wissenschaft, die Kritik am Bestehenden übt, jedoch nicht möglich. Ehrenbergs Analyse des "herrschenden" Diskurses enthält zwar kritische Impulse, geht jedoch selten über das Deskriptive hinaus. Seine Behauptung beispielsweise, an die Stelle der "Kämpfe zwischen Gruppen" sei "die individuelle Konkurrenz" (ebd., S. 294) getreten, mag zwar für eine bestimmte Phase richtig sein, berücksichtigt aber nicht, dass der Kapitalismus immer beides hervorbringt: Sowohl die individuelle Konkurrenz zwischen den abhängig Beschäftigten, als auch den gemeinsamen Kampf für die eigenen Rechte.3 Neben solchen Ungenauigkeiten bringt das methodische Vorgehen mit sich, dass nicht klar wird, ob Menschen depressiv werden, weil sie zu viel Freiheit im Sinne von Handlungsmöglichkeiten haben oder weil sie die neuen Normen der Eigenverantwortung und Initiative zwar verinnerlicht haben, aber aufgrund ihrer Position oder struktureller Bedingungen nicht erfüllen können.

So heißt es beispielsweise bei Rehmann (2008): "[D]ort, wo die Appelle zu Initiative und Eigenverantwortung auf Lebensverhältnisse stoßen, die selbstbestimmtes Handeln nicht bzw. nur sehr eingeschränkt zulassen, führen sie unter den Verhältnissen entfremdeter Vergesellschaftung und ohne kollektiv-solidarische Handlungsalternativen zu fatalistischer Lähmung und Selbsthass. Der von Bourdieu beobachtete massenhafte ‚Schicksals-Effekt' ist die dunkle Kehrseite der durch neoliberale Anrufung erzeugten Subjekt-Effekte eigenverantwortlicher Mobilisierung" (S. 201). Schuldgefühle und "neurotische" Ängste würden dann jedoch nicht von der Depression "überflügelt", wie Ehrenberg behauptet. Gerade die (verinnerlichten) Normen der Leistung, Anpassung an den Markt und der Selbstverantwortung für soziale Risiken, rufen Versagens- und Schuldgefühle hervor, besonders wenn man den Anforderungen nicht gerecht wird. Im (klinischen) Alltag treten zudem niedergeschlagene Stimmung, Schuldgefühle und Ängste häufig gemeinsam auf. Solche Gefühle sollten deshalb als emotionale Bewertungen der eigenen Lage im Neoliberalismus begriffen werden und nicht als Überforderung durch kulturelle und demokratische Freiheiten verstanden werden.4 Maurizio Lazzarato beschreibt in "Die Fabrik des verschuldeten Menschen" (2011, dt. 2012) den Zusammenhang zwischen privater und staatlicher Verschuldung und den Appell an die Eigenverantwortung und Schuld des Einzelnen im Neoliberalismus, den er als Schuldenökonomie charakterisiert. Das Verhältnis von Gläubiger und Schuldner als zentrales Herrschaftsverhältnis habe die subjektive Figur des "verschuldeten Menschen" gegenüber dem Modell des "Selbstunternehmers" in den Vordergrund gerückt (vgl. Lazzarato, 2012, S. 49). Sollte Lazzarato mit seiner These, die Schuldenökonomie enteigne die überwältigende Mehrheit der europäischen Bevölkerung "[...] vom Zugang zur Macht, der in der repräsentativen Demokratie ohnehin schon sehr eingeschränkt war, vom gesellschaftlichen Reichtum, den die Klassenkämpfe der kapitalistischen Akkumulation einmal entrissen hatten und vor allem von der Zukunft, d.h. von einer Zeit als Entscheidung, als Wahl, als Möglichkeit" Recht haben, laufen die Entwicklungen der letzten Jahre auf eine massive Einschränkung kollektiver und individueller Handlungsfähigkeit hinaus(ebd., S. 25).

Fazit

Im Rahmen der kritisch-psychologischen Motivationstheorie könnte die "Unfähigkeit (des Depressiven, d. Verf.) zu handeln" als Motivationsproblem unter gesellschaftlich zunehmendem inneren und äußeren Zwang verstanden werden. Entwickeln beispielweise nicht nur diejenigen, die unter den einschränkenden Bedingungen von Arbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung und Verschuldung leiden, depressive Zustände, sondern auch diejenigen, welche neoliberale Normen besonders stark verinnerlicht haben, depressive Symptome, wenn sie diesen Normen nicht mehr gerecht werden? Diese Lesart Ehrenbergs bietet im Vergleich zu anderen Depressionstheorien einen Erklärungsansatz, warum Depressionen in allen gesellschaftlichen Gruppen zunehmen, in einigen aber besonders häufig auftreten. Der herausgearbeitete Zusammenhang zwischen neoliberaler Anrufung der Subjekte und depressiven Symptomen geht über den individuellen Ursache-Wirkmechanismus der Stressforschung hinaus und kann so besser erklären, warum nicht nur die sog. Modernisierungsverlierer, sondern auch IT-Projekt-Manager an Depression leiden. Für eine der vielen notwendigen Differenzierungen depressiver Erscheinungsformen könnte die Unterscheidung von Abramson, Seligman und Teasdale (1978) in persönliche und universelle Hilflosigkeit sinnvoll sein. Zu untersuchen wäre, ob die persönliche Hilflosigkeit ("Ich schaffe das nicht, weil ich unfähig bin") mit der Erfahrung durch eigene Leistung etwas zu erreichen und deshalb mit der durchaus funktionalen Übernahme neoliberaler Normen von Leistung und Eigenverantwortung einhergeht, wohingegen die universelle Hilflosigkeit Folge von Erfahrungen sein könnte, dass ökonomische und politische Prozesse nicht beeinflussbar und veränderbar sind. Während die erste Haltung eher mit Schuld, Selbstzweifel und Erschöpfung einhergehen könnte, wäre vermutlich bei der zweiten Form eine resignative, hoffnungslose und pessimistische Haltung ausschlaggebend.

Der niedergedrückte, lust- und freudlose, antriebslose, hoffnungslose, minderwertige, sich schuldig, müde und leer fühlende Depressive verkörpert das Gegenteil zum neoliberalen Wunschsubjekt, das die Forderungen nach Selbstverwirklichung, Eigeninitiative, Mobilisierung positiver Affekte und Vermarktung der eigenen Arbeitskraft (zeitweise) nicht erfüllen kann. Wo Ehrenberg einen homogenen Diskurs "unserer Zivilisation" (2008, S. 306) anzunehmen scheint, gehen Rehmann (2008) und Candeias (2003) davon aus, dass es zum herrschenden Diskurs immer Gegendiskurse gibt, die von den Unterdrückten oder "Verlierern" des Neoliberalismus geführt werden. Vor diesem Hintergrund könnten Ehrenbergs Ansatzpunkte für eine Prävention depressiver Erkrankungen auf gesellschaftlicher Ebene ("Dekonfliktualisierung des Sozialen", "Re-Vitalisierung des Konflikts") und der Tatsache, dass die kapitalistische Klassengesellschaft fortbesteht, als Aufruf zu einem Gegendiskurs verstanden werden, der - gekoppelt an die Vorstellungen von Solidarität, gesellschaftlichen Alternativen, einer besseren Zukunft und Erweiterung der eigenen Handlungsfähigkeit im Zusammenschluss mit anderen - vor Vereinzelung, Resignation und dem Gefühl des Ausgeliefertseins schützen könnte. Solch ein Gegendiskurs wäre des Weiteren Voraussetzung für eine politische Veränderung der gesellschaftlichen Realität durch die Subjekte selbst.

Klar geworden sein sollte außerdem, dass zu einem besseren Verständnis depressiven Leidens eine aktuelle Kapitalismus- und Klassenanalyse eine notwendige Voraussetzung bildet. Um jedoch subjektive Befindlichkeit, Kognition und Motivation in einem depressiven Zustand angemessen zu begreifen, bedarf es subjektwissenschaftlicher Einzelfallstudien, um die Gründe und Prämissen der Betroffenen herauszuarbeiten und so eine Theoriesprache der Verständigung über psychische Ausnahmezustände und Krisen zu ermöglichen, die strukturell verallgemeinerbar wäre.

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Endnoten

  1. Nach Schätzung des deutschen Bundesgesundheitssurveys (1998) erkrankten 32% der erwachsenen Bevölkerung bis 65 Jahre innerhalb von 12 Monaten (Wittchen & Jacobi, 2001). Eine Nachfolgestudie (DEGS1-MHS) fand eine 12-Monatsprävalenz von 33,3% für psychische Störungen (Wittchen & Jacobi, 2012).
  2. Die Daten liegen zwar vor, sind jedoch noch nicht differenziert nach Alter publiziert worden. Es ist allerdings bekannt, dass depressive Symptome von alten Menschen seltener geschildert werden (vgl. Alterskohorteneffekt).
  3. Diese Auffassung, von der Auflösung traditioneller Kollektivstrukturen und Solidaritätsformen und ihre Neuzusammensetzung haben - mit einer gewissen Tendenz zur Teleologie - schon Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest hervorgehoben: "Die Organisation der Proletarier zur Klasse, und damit zur politischen Partei, wird jeden Augenblick wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst. Aber sie ersteht immer wieder, stärker, fester, mächtiger." (Marx & Engels, 1848, S. 30)
  4. Colin Crouch (2008) spricht vom Zeitalter der Postdemokratie, da die betriebliche Mitbestimmung durch die Macht der Aktionäre abgenommen hat, die innerparteiliche Demokratie in den Massenorganisationen der Arbeitnehmer kaum noch vorhanden ist und die Politik unter dem starken Einfluss der Wirtschaftslobby steht.

Autorin

Leonie Knebel
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Dipl.-Psychologin, Psychotherapeutin in Ausbildung mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie, promoviert derzeit in Psychologie an der Freien Universität Berlin, Arbeitsschwerpunkte: Prekarisierung und Depression, subjektwissenschaftliche Psychotherapieforschung, Rassismus in der Intelligenzforschung



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