1-2023
1-2022
1-2021
1-2020
2-2019
1-2019
1-2018
1-2017
2-2015
1-2015
2-2014
1-2014
1-2013
1-2012
1-2011
3-2010
2-2010
1-2010
2-2009
1-2009
2-2008
1-2008
1-2007


Sie befinden sich hier: Ausgaben » 1-2016 » fg-1-2016_03

 

Sexualpädagogik oder Gewaltprävention? - Sexualität vor dem Hintergrund sexueller Gewalterlebnisse

Barbara Kavemann
[Forum Gemeindepsychologie, Jg. 21 (2016), Ausgabe 1]

Zusammenfassung

Zur Prävention von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche gehört eine emanzipative Sexualpädagogik, diese beiden Themen müssen miteinander verknüpft und altersgerecht gestaltet sein. Die Gefährdungsdiskurse, die im Zusammenhang mit Sexualität geführt werden, tendieren zu einer Tabuisierung von Sexualität. Diese hat für Betroffene von sexueller Gewalt destruktive Auswirkungen, weil sie das Sprechen über erlebte Gewalt behindert und Stigmatisierung von Betroffenen fördert. Am Beispiel von Interviewstudien mit jugendlichen Mädchen, die sexuelle Gewalt erlebt haben und in Einrichtungen der Jugendhilfe leben, wird verdeutlicht, dass traumatische Sexualisierung durch sexuelle Gewalt ein Risiko für Reviktimisierung ist, das durch eine Tabuisierung von Sexualität, ein rückwärtsgewandtes Konzept von Sexualität und eine Ablehnung von Sexualpädagogik verstärkt wird.

Schlüsselwörter: sexueller Missbrauch, Sexualerziehung, traumatische Sexualisierung, Mädchen, Heimerziehung

Summary

Sex education or prevention of violence? - Sexuality in the context of sexual violence

Prevention of sexual violence against children and youth includes emancipative sex education, these both subjects have to be closely linked and age appropriate available. Public discourse on the perils of sexuality tends to make a taboo of it. This has destructive consequences for victims of sexual violence, because it hinders disclosure of violence suffered and encourages stigmatization of victims. Interview studies with adolescent girls who have experienced sexual violence reveal that traumatic sexualization by sexual violence can increase the risk for re-victimization through the tabooing of sexuality, an anachronistic concept of sexuality, and a rejection of sex education.

Keywords: sexual abuse, sex education, traumatic sexualization, girls, institutional care

Einleitung

Sexualität ist politisch, so das Thema dieses Heftes. Sie ist es insofern, als Politik das Zusammenleben einer Gesellschaft anhand konsensfähiger Kriterien regelt. Diese orientieren sich an dem Wissensstand der jeweiligen Zeit, an geltenden Moralvorstellungen und existierenden Machtverhältnissen und unterliegen damit historischen Entwicklungen und Veränderungen. Damit nimmt Politik Einfluss nicht nur auf den öffentlichen, sondern auch auf den privaten und intimen Lebensbereich der Menschen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2006) definiert Sexualität als ein soziales und politisches Phänomen. Die individuelle Sexualität sieht sie "beeinflusst durch das Zusammenwirken biologischer, psychologischer, sozialer, wirtschaftlicher, politischer, ethischer, rechtlicher, religiöser und spiritueller Faktoren" (BZgA, S. 18). Des Weiteren wird sie definiert als ein zentraler Aspekt des Menschseins, der nicht nur das biologische Geschlecht, sondern auch die Geschlechtsidentität, die Geschlechtsrolle und die sexuelle Orientierung einschließt. Neben den klassischen Elementen wie Fortpflanzung und Lust wird auch die Intimität hervorgehoben. Interessant ist, dass Sexualität nicht nur als sexuelle Aktivität, Fantasien, Wünsche, Einstellungen, Werte, Praktiken, und Beziehungen verstanden wird, sondern auch als Verzicht darauf: "Während Sexualität all diese Aspekte beinhaltet, werden nicht alle ihre Dimensionen jederzeit erfahren oder ausgedrückt." Diese Definition unterscheidet nicht danach, ob Menschen ein aktives und vielfältiges Sexualleben führen oder ob Sexualität in eher ruhigen Bahnen verläuft bzw. nicht ausgelebt wird (ebenda).

Sexualität ist ein sehr ambivalentes Thema, es changiert im 21. Jahrhundert zwischen anhaltender Tabuisierung und aufdringlicher öffentlicher Präsenz. Das "why don't we do it in the road" von 1968 wollte die Tabuisierung sprengen, stellte aber auch die Bedeutung der Intimität in Frage. Die Unterscheidung des - auch nicht immer eindeutigen - biologischen Geschlechts (Sex) vom sozialen Geschlechts bzw. der sozialen Zuweisung des Geschlechts und der sozial präsentierten Geschlechtsrolle (Gender) hat sich in der Wissenschaft und vielen Praxisfeldern durchgesetzt. Sie trifft aber in der Bevölkerung auf Unverständnis oder Irritation und Ärger - wie verbreitet diese Reaktionen sind, ist nicht untersucht, interessant ist jedoch, wie viel Zustimmung Veröffentlichungen zu "Gender-Scheiße" (Spiegel-Online Kultur, 2014) oder das Lächerlichmachen von Gender-Studies im Internet bekommen. Eine gesamtgesellschaftliche Debatte wird über bestimmte sexualpolitische Themen geführt wie die Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren oder die Prostitution, über das ganz alltägliche Sexleben der Menschen in Deutschland wird zwar in den Medien viel verbreitet, es ist jedoch, abgesehen von den Studien der BZgA zur Jugendsexualität, wenig Seriöses bekannt.

Jugendsexualität - ein Problem?

Im Zusammenhang mit Sexualität werden unterschiedliche Gefährdungsdiskurse geführt. Einer davon ist die sexuelle Aktivität von Jugendlichen. Forschungsergebnisse zum Wandel mit Blick auf frühere Generationen werden von den Medien häufig aufgegriffen, um eine sozial und moralisch bedenkliche Entwicklung zu skizzieren. Die Ängste betreffen einen "immer früheren" ersten Geschlechtsverkehr und eine Jugendsexualität, die ohne feste Bindungen gelebt werde. Ein Thema ist das Alter beim Beginn sexueller Aktivität. Während 1980 der Anteil der 17-Jährigen mit Koituserfahrung bei 47 Prozent lag, waren es 2005 bereits 70 Prozent (73 Prozent der Mädchen und 66 Prozent der Jungen). Der Anteil bei den 14-Jährigen stieg von 2 Prozent auf 11 Prozent (Klein & Sager, 2010, S. 105). Allerdings handelt es sich keinesfalls um einen weiter dynamisch ansteigenden Trend: Seit Ende der 1990er Jahre ist das Alter stabil geblieben (ebenda, S. 67). Knapp drei Viertel aller Ersterfahrungen fallen nun in den Altersrahmen zwischen 15 und 18 Jahren (vgl. BZgA, 2015, S. 81). Inzwischen hat sich das Einstiegsalter nicht nur stabilisiert, sondern es ist eine leicht rückläufige Tendenz feststellbar: "Die Zahl der sexuell aktiven 14-Jährigen (deutscher Herkunft) ist nach teilweise zweistelligen Werten im Zeitraum 1998 bis 2005 (zwischen 10 und 12%) wieder in den einstelligen Bereich zurückgegangen" (BZgA, 2015, S. 8). Heute hat die Aufgabe der Jungfräulichkeit nicht mehr dieselbe Bedeutung wie in den 1970er Jahren und der erste Geschlechtsverkehr ist eingebettet in eine sukzessive Steigerung sexueller Annährung, beginnend mit Küssen und Petting. Ein besonderer Schritt ist der erste Geschlechtsverkehr insofern immer noch, als "die soziale Öffentlichkeit der Peers ihm sogar ein besonderes Gewicht für die Erlangung des Status der Erfahrenen zuweist" (Helfferich, 2016).

Ein weiteres, von vielen als beunruhigend erlebtes Phänomen bei Jugendlichen ist deren Konsum von Pornographie, vor allem seit diese so einfach und kostenlos im Internet verfügbar ist. Meist wird generell von einer schädigenden Wirkung ausgegangen und Medien sprechen inzwischen gern von "sexueller Verwahrlosung". Die Forschung sieht dies eher skeptisch und stellt fest, dass "empirische Analysen, die Fragen nach dem Einfluss pornographischer Inhalte auf die Einstellungen und Verhaltensweisen der Nutzer und Nutzerinnen solide beantworten können, ausgesprochen rar sind" (Klein, 2010, S. 178). Allerdings fehlt es noch an verlässlichen Antworten auf die Frage, wie Jugendliche Pornographie erleben und verarbeiten. die Entwicklungsaufgaben nicht nur der Kindheit, sondern auch des Jugendalters sind eng mit Fragen der sexuellen Entwicklung verknüpft.

Das öffentliche Sprechen über Sexualität und die Vielzahl sexueller Bilder, denen wir im Alltag begegnen, die Thematisierung unterschiedlicher sexueller Identitäten, Lebensweisen und Vorlieben schaffen einen Eindruck großer Offenheit und Unkompliziertheit. Im Gegensatz dazu ist der persönliche Umgang mit Sexualität eine komplizierte Angelegenheit geblieben. In diesem Bereich sind Menschen besonders verletzlich. Jugendliche haben vielfältige Möglichkeiten, sexuelle Erfahrungen zu machen und intime Beziehungen einzugehen. In der Regel gewähren die Eltern ihnen deutlich mehr Freiheiten, als das früher der Fall war. Aber trotz der Omnipräsenz der Thematik in der Öffentlichkeit stehen viele vor schambesetzten, ungelösten Fragen, was die eigene Sexualität betrifft. Eltern sind zugänglicher für die Fragen ihrer Töchter und Söhne, in der Schule wird Sexualität thematisiert, dieses Sprechen über Sexualität bezieht sich jedoch überwiegend auf Fragen zu Gesundheit und Sicherheit. Sexuelle Praktiken werden in diesem Kontext nicht besprochen, es wäre zu peinlich - hier liegt aber das Interesse vieler Jugendlicher. Pornographie bietet ihnen hierzu deutliche Bilder und kann anregen, das eine oder andere auszuprobieren. Bis zum 16. Lebensjahr hatten 88 Prozent der Jungen und 55 Prozent der Mädchen Kontakt mit Pornographie, gezielter Konsum beginnt etwas später, im Schnitt bei Jungen mit 16, bei Mädchen mit 18 Jahren (Stark, 2016). Quelle ist das Internet, das für Jugendliche eine wichtige Quelle für sexuelle Information darstellt, weil sie anonym bleiben können und sich nicht wegen ihrer Unkenntnis oder wegen konkreter Fragen schämen müssen. Dafür, dass es um Information geht, nicht um Unterhaltung, spricht auch, dass Pornographie von Jungen und Mädchen in der Regel alleine angeschaut wird, und zwar keine Filme, sondern nur kurze Ausschnitte (ebenda).

Festzuhalten ist bezüglich der Sorgen um Jugendsexualität also ein früherer Einstieg in sexuelle Aktivität und ein erhöhter Konsum von Pornographie, aber die befürchtete Dramatik der Entwicklung bestätigt sich nicht, Jugendliche leben auch heute ihre Sexualität überwiegend in festen Beziehungen (Klein & Sager, 2010, S. 112).

Sexualpädagogik und/oder Gewaltprävention?

Jugendsexualität kann als enttabuisiert bezeichnet werden, der Sexualkundeunterricht für Jugendliche ist durchweg akzeptiert. Anders sieht es beim Grundschulalter aus: Nur ein Drittel der Acht- bis Neunjährigen sagt aus, in der Schule über Sexualität geredet zu haben und die Hälfte aller Kinder traut sich nicht, bei Interesse Themen nachzufragen. Ihre Fragen werden nach eigenen Aussagen noch zu wenig berücksichtigt (Sielert & Henningsen, 2011, S. 3).

Der Gefährdungsdiskurs hat sich auf Kinder und ihre Berührung mit Sexualität verlagert. Die Sorgen wegen der Gefährdung von Kindern basieren auf dem gesellschaftlichen Konsens, dass Kinder geschützt werden müssen. Sielert und Henningsen (2011) stellen in ihrer Expertise zu Sexualkundeunterricht in Grundschulen fest, "dass viele Kinder auch im sexuellen Bereich mit Eindrücken konfrontiert werden, die für den gegenwärtigen Stand ihrer sexuellen Entwicklung noch nicht relevant sind. Es bestätigt sich, was in der Entwicklungspsychologie mit dem Konstrukt "overscription" gemeint ist: Ihr 'sexuelles Weltwissen' übersteigt das aktuell Notwendige, um die anstehenden Entwicklungsaufgaben zu bewältigen" (ebenda, S. 2). Es stellt sich die Frage, ob und wenn ja, wie Kinder vor einer Überfütterung mit sexuellen Bildern und Informationen geschützt werden müssen und wie das mit einem Schutz vor sexueller Gewalt und mit Freiräumen für die kindliche Sexualität verknüpft werden kann.

In der aktuellen Diskussion über Sexualität stehen sich die Positionen des selbstbestimmten und selbstverantworteten Lebens von Sexualität und die intensive Debatte über sexuelle Gewalt gegenüber. Eine Harmonisierung beider Diskussionsstränge und der daraus resultierenden Praxis erscheint schwierig. Während es in den 1990er Jahren noch so aussah, als bringe die Auseinandersetzung mit sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend eine Renaissance der Sexualpädagogik mit sich, erwies sich das Thema Gewalt als ein Schwergewicht mit eigener Dynamik. Gewaltprävention und Sexualpädagogik fielen in zwei getrennt voneinander verhandelte Bereiche auseinander. Daran änderten auch Mahnungen von Expertinnen und Experten nichts, die betonten, dass Information über sexuelle Gewalt keinesfalls der erste Schritt sein solle: Zuerst sollten Kinder und Jugendliche mehr über die positiven, lustvollen Seiten von Sexualität erfahren. Prävention ist nach wie vor ein Feld, in das die verantwortlichen Stellen nur zögernd investieren und durch die Begrenzung des Zeitbudgets auch die Inhalte stark eingrenzen. Oft wird dann der Information über Gewaltrisiken der Vorrang vor dem Sprechen über Sexualität eingeräumt.

Wir beobachten ein interessantes Paradox: Eine stetig wachsende Anzahl von Kitas lässt sich zu Fragen der kindlichen Sexualität und der Sexualpädagogik fortbilden, Sexualpädagogik in Grundschulen trifft ganz überwiegend das Interesse von Eltern, auch wenn ihnen nicht immer wohl dabei ist. Selbst die Gruppe der Eltern mit Migrationshintergrund ist zunehmend der Schule dankbar, wenn sie die schwierige Aufgabe der sexuellen Aufklärung übernimmt, die Eltern häufig überfordert. Gleichzeitig stellen immer wieder Elterninitiativen Konzepte einer an Vielfalt orientierten Sexualpädagogik in Frage, die für ihr Empfinden zu weit geht, und wollen nicht, dass ihre Kinder daran teilnehmen müssen. Wie groß die Zahl der Eltern ist, die eine ganzheitliche Sexualpädagogik oder Sexualpädagogik generell ablehnen, ist unbekannt.

Sexuelle Gewalt in der Kindheit ist ein gesellschaftsweites Thema geworden. Spätestens seit dem sog "Missbrauchsskandal" 2010 wird das Thema in der Öffentlichkeit und in Fachöffentlichkeiten breit diskutiert. Auch die Politik wurde tätig: Das Amt der bzw. des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs wurde eingerichtet1, seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wurde eine "Bundesweite Fortbildungsoffensive" gestartet, die Institutionen in denen Kinder leben, zu sicheren Orten machen soll.2 Damit ist die Auseinandersetzung über kindliche Sexualität in die Öffentlichkeit überwiegend zu einem Gefährdungsdiskurs geworden. Er wird von sehr unterschiedlichen politischen Kräften aufgegriffen und funktionalisiert. Rechte Parteien und Gruppierungen funktionalisieren die Debatte für eine rückwärtsgewandte Mobilisierung gegen Sexualpädagogik. Ein prominentes Beispiel hierfür sind die in Städten wie Köln, München, Düsseldorf oder Kassel demonstrierenden "besorgten Eltern". Sie kritisieren, dass Kinder heute zu früh und zu explizit mit dem Thema Sexualität in der Schule konfrontiert werden. Sie propagieren ein Bild des "unschuldigen" und damit sexualitätsfreien Kindes und begründen diese Position mit der Gefährdung von Kindern. Sie greifen jedoch nicht nur die "Frühsexualisierung" von Kindern durch bestimmte Konzepte von Sexualpädagogik an, sondern die "Gender-Ideologie", zu der sie eine umfangreiche Verschwörungstheorie entwickelt haben, sowie die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben und laden Vertreter*innen ausgewiesen rechter Gruppierungen zu ihren Veranstaltungen ein (Besorgte Eltern, 2015). Hier finden wir Überschneidungen mit der Argumentation rechter Gruppierungen, die das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder ihrerseits für Forderungen nach der Todesstrafe funktionalisieren. Auf diesem Wege versuchen sie, sich über den gesellschaftlichen Konsens zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt in der Mitte der Gesellschaft zu verorten. Ihnen geht es darum "die eigene Ideologie und »Volksgemeinschaft« zu stärken sowie die Rechtsstaatlichkeit außer Kraft zu setzen" (Amadeo Antonio Stiftung, Ohne Jahr, S. 13).

Eine Thematisierung von sexuellem Missbrauch, die auf Dramatisierung und Pauschalisierung setzt, kann einer erneuten Tabuisierung von Sexualität Vorschub leisten, weshalb wir diese Entwicklung kritisch verfolgen müssen - allerdings ohne in die Falle zu laufen, Gewalterleben zu relativieren und die Risiken herunterzuspielen. Innerhalb ihrer sexuellen Sozialisation, in der Kinder sich heute insgesamt früher und umfangreicher sexualitätsbezogenes Wissen aneignen, benötigen sie eine Unterstützung, um ein angemessenes Verständnis zu entwickeln. Sexualpädagogik ist daher sehr aktuell und wichtig, um den Gefährdungsdiskurs auszubalancieren. Es kann hier nicht um Entweder-oder gehen - entweder Sexualpädagogik oder Prävention sexueller Gewalt - es kann auch nicht heißen Sexualpädagogik statt Gewaltprävention. Nur im Verbund miteinander geben sie die Informationen, die Kinder brauchen. Von größter Bedeutung sind allerdings gesprächsbereite, sprachfähige, interessierte Erwachsene.

Was bedeutet eine erneute Tabuisierung von Sexualität für Betroffene von sexueller Gewalt?

Für Sexualität gibt es keine generell gültigen Normen, was "normal" ist, sondern viele Normalitäten, aber Normen im Sinne von dem, was als üblich und in Ordnung angesehen wird. Informationen darüber, was sexuell als "normal" gilt bzw. was zulässig und was unzulässig ist, sind für Kinder und Jugendliche von großer Bedeutung. Je jünger sie sind, desto weniger wissen sie über die Normen und desto weniger können sie das Verhalten Erwachsener einordnen. Was "normal" ist, bestimmen diejenigen, die die Definitionsmacht innehaben: Missbrauchende Erwachsene können Kindern einreden, die Übergriffe seien völlig in Ordnung. Eine junge Frau beschreibt im Interview diesen Vorgang der Normalisierung der Gewalt:

 

"Es war halt normal für mich. Ich komme so langsam dahinter, warum das normal für mich war. Meine Theorie ist, dass ich erlernt habe, dass ich mir einfach gewisse Sachen gefallen lassen muss, und deswegen ist mir das als Kind oder nachher als Jugendliche - wo eigentlich schwerere Vorfälle waren - ist mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen, das wäre Unrecht oder das wäre nicht richtig. Das war irgendwie normal" (Kavemann et al., 2016, S. 91).


Die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen wünscht sich "normal" zu sein, Abweichungen von geltenden Normen - sexuelle Gewalt zu erleben ist eine solche Abweichung - können immer Anlass zu Kränkungen, Stigmatisierung und Mobbing sein:

 

"Ich bin dann einfach still geblieben. Und ich wollte natürlich auch ganz normal sein, so wie alle anderen auch normal sind. Ich wollte genauso sein wie die anderen. Ich wollte nicht so einen Makel an mir haben" (Kavemann et al., 2016, S. 85).


Mädchen, die in der Kindheit sexuell missbraucht wurden, sehen sich oft als beschädigt an, als weniger wert als andere. Eine Jugendliche, die im Rahmen einer noch laufenden Studie3 zu Risiken der Reviktimisierung sexuell missbrauchter Mädchen in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe interviewt wurde, benennt diesen Vorgang als Folge des Missbrauchs und als Risiko für Reviktimisierung:


"Man behält diese Einstellung, dass man weniger wert ist, eben auch oft und lässt sich dann eben ausnutzen und ich kenne das ja selber, man kann nicht wirklich viel dagegen tun, gegen dieses Gefühl."


Hall (2008, S. 547) führt aus, dass Frauen und Männer, die als Kind sexuelle Gewalt erlebt haben, sich häufig als "damaged good" fühlen, vor allem, wenn es um ihre Sexualität geht. Mädchen und jungen Frauen berichten in unseren Interviews davon, dass sie sich die Frage stellen, ob sie einem Freund sagen müssen, was ihnen passiert ist, ob das Nachteile für sie hat, ob es unfair ist, diese "Beschädigung" zu verschweigen, ob es hilfreich ein kann, ihn von Anfang an zu informieren (z.B. Kavemann et al., 2016, S. 132, vgl. auch das laufende Projekt PRÄVIK). Bei Jugendlichen, die erste sexuelle Beziehungen eingehen, kommt erschwerend dazu, dass sie oft große Unsicherheiten haben, was in der Sexualität von ihnen wohl erwartet wird und was sie erwarten dürfen. Eine Sexualpädagogik, die ein nicht-normatives Verständnis von Sexualität vermittelt und Jugendliche unterstützt, eigene Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen, kann diese Unsicherheiten entschärfen.

Solange Information über Sexualität nicht auch Machtverhältnisse und Machtmissbrauch thematisiert, fehlt eine zentrale Information: dass die eigenen Bedürfnisse da ihre Berechtigung verlieren, wo sie an die Grenzen anderer stoßen, dass es Unrecht ist, andere zu nötigen, zu belästigen, sexuell zu missbrauchen, zu vergewaltigen. Um ein angemessenes Verständnis von Sexualität, den Grenzen eigener Wünsche, von Partnerschaft und Gewaltrisiken zu entwickeln, brauchen Jugendliche neben der Information über Sexualität vor allem Räume und Anleitung für Reflexion und Kommunikation. Sie brauchen - wie oben bereits gesagt - Erwachsene, die zur Kommunikation über Sexualität befähigt sind. Sexuelle Sprachfähigkeit auf Seiten der Jugendlichen wie der Erwachsenen, die als Eltern oder Pädagog*innen an ihrer Seite sind, ist ein präventives Element: Die uneindeutige Kommunikation sexueller Wünsche und Absichten ist ein Risiko für (Re-)Viktimisierung (Krahé et al., 2004, S. 243). Das Aushandeln von Intimität kann zu Enttäuschung oder zu Gewalt führen, wenn eine geeignete Sprache und die Übung darin fehlen. Fehlende Sprache hindert Mädchen und Jungen auch daran, Übergriffe und Gewalthandlungen mitzuteilen und Hilfe zu suchen.

 

"Die zentrale bildungspolitische Aufgabe hinsichtlich sexueller Rechte besteht daher darin, in Familie, Schule und Ausbildung Wert auf die Vermittlung und Betonung spezieller Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Erlangung und Umsetzung kritischen Denkens zu legen. Kinder und Jugendliche - die späteren Erwachsenen - werden so in die Lage versetzt, den Anspruch der Selbstbestimmung und Einvernehmlichkeit im partnerschaftlichen Handeln einzulösen. Dazu ist es notwendig, dass Fühlen, Denken und Handeln mit Worten ausgedrückt und reflektiert werden können. Eine ganzheitliche und altersgemäße Sexualaufklärung ist für die Vermittlung und Reflexion entsprechender Inhalte, d. h. den Erwerb notwendiger Kompetenzen, in besonderer Weise geeignet" (WHO, 2006, S. 10).


Von sexuellem Missbrauch Betroffene brauchen eine Enttabuisierung von Sexualität, die gleichzeitig informiert und schützt. Dazu gehört unbedingt auch ein gesellschaftlicher Diskurs, der der Stigmatisierung von Gewaltopfern entgegenwirkt (vgl. Kavemann et al., 2016).

Traumatische Sexualisierung und Jugendhilfe

In Einrichtungen der stationären Jugendhilfe leben überproportional viele Kinder und Jugendliche, die eine Geschichte sexualisierter Gewalt mitbringen. Ihre Situation ist oft schwierig. Zu den problematischen Reaktionen auf das Bekanntwerden sexuellen Missbrauchs gehört neben dem Nicht-Glauben und dem Beschuldigen der Betroffenen die Stigmatisierung. Das Opfer-Stigma grenzt diejenigen, die Gewalt erlitten haben, aus der Gemeinschaft der "Normalen" aus, die auf diese Weise die eigene Angst abwehren können (Goffman, 1975). Stigmatisierung leugnet die Gewalt nicht, wendet sie aber gegen die Betroffenen in Form von Ausgrenzung und Abwertung, unter Jugendlichen meist als Mobbing bezeichnet. Betroffene müssen neben der Bewältigung des Gewalterlebens zusätzlich ein Stigmamanagement (ebenda) entwickeln, indem sie abwägen, wer vertrauenswürdig genug ist, ihre Geschichte zu erfahren und wer nicht. Dieser Vorgang führt zum Verschweigen sexueller Gewalt und trägt mit dazu bei, dass in Einrichtungen der Jugendhilfe oft keine sichere Information über die Gewaltgeschichte der Jugendlichen vorliegt, die hier leben. Ist der sexuelle Missbrauch aktenkundig, greift das individuelle Stigma-Management nicht mehr und viele Personen wissen davon, ohne dass die Jugendlichen selbst dies kontrollieren können. Ihnen wird von vornherein eine bestimmte Form des Anders-Seins zugewiesen.

Wichtig für die Entwicklung eines stabilen, positiven Selbstwertgefühls und Bausteine von Resilienz sind sicher gebundene Beziehungen und das Gefühl der Zugehörigkeit. Bindung beschreibt einen psychologischen Vorgang, der sich auf ein menschliches Grundbedürfnis bezieht (Bowlby, 1958). Die unterschiedlichen Bindungsstile - sicher, unsicher vermeidend und unsicher ambivalent - werden in der frühen Kindheit angelegt und haben Auswirkungen auf die Beziehungsgestaltung im späteren Leben. Simpson et al. (1990) wiesen in einer Längsschnittstudie nach, dass Kinder, die früh eine sichere Elternbindung entwickeln konnten, als Teenager und Jugendliche eher sichere Bindungen an "beste Freundinnen" bzw. "beste Freunde" eingehen konnten und als junge Erwachsene deutlich glücklichere Liebesbeziehungen hatten. Der Zwischenschritt der Peer-Beziehungen kann den Ausschlag für die weitere Entwicklung geben und mit jeder Partnerschaft wird der Bindungsstil neu ausgehandelt (Asendorpf, 2014, S. 18). Neben der Bindung ist das Gefühl der Zugehörigkeit eine wichtige soziale Dimension der Resilienz. Sowohl Bindung als auch Zugehörigkeit entwickeln sich in der Biographie von Mädchen, die lange in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe leben, anders als beim Durchschnitt. Die Fremdunterbringung ist eine Belastung, die sie bewältigen müssen. In der Regel kommen andere Belastungen dazu, im hier diskutierten Beispiel sexueller Missbrauch. Wenn die Mädchen dann starke Verhaltensauffälligkeiten zeigen, kommt das häufige Verschobenwerden von einer Jugendhilfeeinrichtung in die andere als spezifische Belastung dazu. Sie können kein Gefühl von Zugehörigkeit entwickeln. Dies trifft sowohl Mädchen, die stark externalisierend - durch Aggressivität - als auch diejenigen, die internalisierend - durch Selbstverletzung und Suizidalität - auf sexuellen Missbrauch reagieren. Beständige Bindungen an Beste Freundinnen oder Freunde kommen unter diesen Bedingungen nicht zustande, die Stigmatisierung aufgrund der erlebten Gewalt und aufgrund der problematischen Verhaltensweisen trägt ihrerseits zu Beziehungsabbrüchen bei. Der Wunsch nach verlässlicher Bindung und Zugehörigkeit wird dann auf ihre Liebesbeziehungen gerichtet. Misstrauen und traumatische Sexualisierung als Folgen von sexuellem Missbrauch bewirken jedoch, dass sich stabile Beziehungen nicht entwickeln können und dass ihre Beziehungen überproportional oft durch Gewalttun und Gewalterleiden gekennzeichnet sind (Makhija, 2014). Die Mädchen beschreiben dann zum Teil Beziehungen, in denen sie ausgenutzt, gedemütigt und vergewaltigt werden und die sie trotzdem länger aufrechterhalten, als gut für sie ist.

Die folgenden Zitate sind Interviews mit jugendlichen Mädchen in stationären Einrichtungen entnommen, die 2015 im Rahmen des noch laufenden Forschungsprojekts PRÄVIK4 geführt wurden, einer Untersuchung im Rahmen der Förderlinie des BMBF "Sexueller Missbrauch in pädagogischen Kontexten". Sie zeigen, dass Mädchen durchaus eine Vorstellung davon haben, dass die erlebte Gewalt ein hohes Risiko für erneute Reviktimisierung darstellt - es fehlen ihnen jedoch Strategien und Kompetenzen, die Kontrolle über ihr Leben zu gewinnen und eine Änderung herbeizuführen.
"Als Kind denkt man so: ich muss die Prinzessin vom Papa sein, damit er mich liebt, ich muss das jetzt machen, und dann denkt man das halt später bei dem Freund auch."


"Wenn man sich einmal hat ausnutzen lassen, dann ist es wahrscheinlicher, dass man sich wieder ausnutzen lässt. Man ist es oft dann schon gewohnt und wüsste nicht, wie man da raus kommt."


Eine spezifische Reaktion auf sexuellen Missbrauch in Kindheit und Jugend ist die traumatische Sexualisierung. Darunter verstehen Finkelhor und Browne (1985) einerseits Folgen wie Aversionen gegen Sexualität, Flashback bei sexuellen Berührungen, Schwierigkeiten Erregung zuzulassen und eine negative Einstellung zum eigenen Körper, andererseits zwanghafte Beschäftigung mit Sexualität, ein altersunangemessenes Wissen über und Interesse an Sexualität, ein rascher Wechsel von Sexualpartnern oder -partnerinnen und eigene sexuelle Aggression mit Grenzüberschreitungen anderen gegenüber sowie allgemein eine Verwirrung bezogen auf sexuelle Normen und Regeln und falsche Vorstellungen von dem, was sexuelle Beziehungen ausmacht. Dieser Ansatz wurde von Kathryn Hall (2008) weiterentwickelt, indem sie die psychologische Dimension durch einen soziale ergänzte: Sie nennt ihr Konzept "New View" und betont, dass es vielfältige Wege gibt, auf denen sexueller Missbrauch im Kindesalter zu Unzufriedenheit und Unglück in späteren sexuellen Beziehungen führen kann. Sie nennt die Sorge um die eigene "Normalität" oder darum, geltenden Standards entsprechen zu wollen, aber auch die oft vernachlässigten Fragen der Machtverhältnisse in Beziehungen sowie ökonomische und soziale Probleme, die eingeschränkten Zugang zu therapeutischer Versorgung und zu Information nach sich ziehen können. "The New View recognizes the role of physiological and psychological factors in sexuality, but it also recognizes that the sociocultural, economic and relational realities of peoples' lives will also influence their sexual satisfaction and pleasure” (ebenda, S. 554).

Diese soziale Komponente der Folgen von sexueller Gewalt wird in unseren Interviews sichtbar: Wenn Mädchen offensives sexualisiertes Verhalten zeigen, ist ihr Problem, dass sie kein Stigma-Management (Goffman, 1975) entwickelt haben, dass sie ständig über Sexualität reden, eine sexualisierte Sprache verwenden und beliebig wirkende sexuelle Beziehungen eingehen. Dieses Verhalten verstärkt die meist bereits bestehende Stigmatisierung. Ihre Chancen in Schule und Ausbildung sinken, erhöhter Konsum von Alkohol oder auch Drogen kommt bei vielen dazu. Dies kann ein Anlass für wiederholten Wechsel der Einrichtungen - und damit zu vielfältigen Beziehungsabbrüchen - sein, wenn Leitung und Team über kein geeignetes Konzept verfügen, wie diese Jugendlichen unterstützt werden können. Den Mädchen werden die Folgen der erlebten Übergriffe und Gewalt zum Verhängnis.

Mädchen haben, wenn es um Sexualität geht, ein anderes Problem als Jungen und sind auf eine andere Weise diskreditierbar. Helfferich et al. (2009) zeigen, dass sie Angst haben, jemand könnte mit ihnen spielen und sie ausnutzen bzw. benutzen. Wenn ihnen das passiert, geraten sie sehr schnell in Verruf. "Das Pendant zu der Zweiteilung von potentem Mann und sexuell unterlegenem 'Weichei' ist in dem normativen Gruppenkontext die Zweiteilung von 'Freundin' und 'Schlampe'. In der sozialen Arena der Peers werden mit dem Ruf des Mädchens als 'Schlampe' bestimmte Formen des sexuellen Verhaltens von Mädchen diskreditiert, nämlich Sex zu jung, zu schnell nach dem Kennenlernen und mit zu vielen Partnern. Die soziale Abwertung besteht darin, dass Schlampen als verfügbarer Stoff für die sexuellen Erfahrungen von Jungen gelten" (Helfferich, 2016, im Druck, S. 72). Diese Haltungen von Jugendlichen korrespondieren mit den rückwärtsgewandten Elterninitiativen, die die Unschuld der Kinder betonen.

Traumatische Sexualisierung bedeutet ein Reviktimisierungsrisiko und produziert weitere Risiken. Um diesem Problem zu begegnen, wird ein Sexualitätsdiskurs benötigt, der diese Zusammenhänge nicht ausblendet. Ein Gefährdungsdiskurs, der auf eine erneute Tabuisierung von Sexualität setzt, verstärkt das Risiko und hilft den Mädchen nicht, sondern trägt zur Verstetigung einer negativen Entwicklung bei. Für die Zielgruppe sexuell missbrauchter Mädchen mit einem sexualisierten Verhalten müssen entsprechende unterstützende Konzepte in der Jugendhilfe entwickelt und vorgehalten werden. Bei den beschriebenen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten der Mädchen handelt es sich um eine Mischung aus typischen Problemen des Jugendalters und um spezifische Probleme der Jugendhilfe. Hier sind überwiegend sehr belastete Mädchen untergebracht, die oft eine Vorgeschichte gravierender sexueller Gewalt mitbringen. Teilweise geht es aber auch um Probleme einzelner Einrichtungen, die zu wenig Wert auf die Partizipation von Jugendlichen bei der Gestaltung des Miteinanders legen bzw. zu wenig in die Weiterbildung ihres Personals in Sexualpädagogik und Traumapädagogik investieren oder an dem Selbstverständnis der Einrichtung als sicherer Ort arbeiten.

In den letzten Jahren wurden deutliche Anstrengungen unternommen, um den Schutz von Mädchen und Jungen in Institutionen zu verbessern. Im Rahmen der Bundesweiten Fortbildungsoffensive zur Stärkung der Handlungsfähigkeit (Prävention und Intervention) von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe zur Verhinderung sexualisierter Gewalt wurde von 2010 bis 2014 eine Vielzahl von stationären Einrichtung bei der Entwicklung und Implementierung von Schutzkonzepten unterstützt. Dazu gehörten ein sexualpädagogisches Konzept und ein Konzept für Prävention und Intervention.

 

"Sexuelle Erfahrungen spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Vielseitigkeit der eigenen Identität zu entdecken, mit ihr umzugehen und sie zu leben. Die erlebten oder heiß erwarteten sexuellen Erfahrungen können bereichern, beglücken, erfreuen, aber auch beängstigen, verunsichern oder verletzen. Diese Bandbreite und Unterschiedlichkeit der mit Sexualität verbundenen Gefühle stellt eine hohe Herausforderung für jede pädagogische Arbeit dar" (Tuider et al., 2012, S. 16).


Dieser Anforderung kann die Jugendhilfe dann gerecht werden, wenn sie emanzipative Sexualpädagogik und Prävention sexueller Gewalt in einem ganzheitlichen Konzept verknüpft. Eine in dieser Hinsicht selbstbewusste Jugendhilfe kann für die Nöte, Bedürfnisse und den Schutz von Mädchen und Jungen eintreten und Tendenzen erneuter Tabuisierung von Sexualität entgegentreten.

Endnoten

  1. https://beauftragter-missbrauch.de/
  2. www.dgfpi.de/bufo_konzept.html
  3. PRÄVIK (im Rahmen der Förderlinie des BMBF zu sexuellem Missbrauch).
  4. Eine Kooperation des Sozialwissenschaftlichen FrauenForschungsInstituts Freiburg mit dem Deutschen Jugendinstitut: www.soffi-f.de

Literatur

Amadeu-Antonio-Stiftung (ohne Jahr). Instrumentalisierung des Themas sexueller Missbrauch durch Neonazis. Analysen und Handlungsempfehlungen für Zivilgesellschaft und Betroffenengruppen. Verfügbar unter: www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/instrumentalisierung_missbrauch.pdf [05.04.2016].

Asendorpf, J.B. (2014) Bindung im Erwachsenenalter. In D. Frey, & H.-W. Bierhoff (Hrsg.), Soziale Motive und soziale Einstellungen. Enzyklopädie der Psychologie (S. 53). Serie Sozialpsychologie, Band 2. Göttingen: Hogrefe.

Besorgte Eltern (2015). Die verborgenen Wurzeln der modernen Sexualaufklärung. Verfügbar unter: www.besorgte-eltern.net [28.04.2016].

Bowlby, J. (1958). The nature of the child's tie to his mother. International Journal of Psycho-Analysis, 1958, XXXIX, 1-23.

BZgA/WHO-Regionalbüro für Europa (2011). WHO-Regionalbüro für Europa und BZgA Standards für die Sexualaufklärung in Europa Rahmenkonzept für politische Entscheidungsträger, Bildungseinrichtungen, Gesundheitsbehörden, Expertinnen und Experten Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln. Verfügbar unter: https://publikationen.sexualaufklaerung.de/cgi-sub/fetch.php?id=734 [05.04.2016].

BZgA (2015). Jugendsexualität 2015. Die Perspektive der 14- bis 25-Jährigen. Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Wiederholungsbefragung (BZgA), Köln. Verfügbar unter: www.forschung.sexualaufklaerung.de/fileadmin/fileadmin-forschung/pdf/Jugendendbericht%2001022016%20.pdf [05.04.2016].

Classen, C.C., Palesh, G.O. & Aggarwal, R. (2011). Sexual Revictimization. A Review of the Empirical Literature. Trauma, Violence, Abuse 6, 103-129.

Finkelhor, D. & Browne, A. (1985). The traumatic impact of child sexual abuse: A conceptualization. American Journal of Orthopsychiatry 55, 530-541.

Goffman, E. (1975). Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. Frankfurt am Main, Suhrkamp.

Helfferich, C. (2016, im Druck). Familie und Geschlecht. Eine neue Grundlegung der Familiensoziologie. Leverkusen: Barbara Budrich Verlag.

Helfferich, C. & Steiner, S. (2015). BuFo-BIS: Begleitende Interviewstudie zum Modellprojekt "Bundesweite Fortbildungsoffensive für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe". Verfügbar unter: www.soffi-f.de [05.04.2016].

Helfferich, C., Pfeiffer, P. & Rißler, G. (2009). "Das ist stark - was kann ich, was will ich, was werde ich" - Bildungschancen und Geschlechterverständigung von Mädchen und Jungen mit eingeschränktem Bildungshintergrund. Im Auftrag der Landesstiftung im Rahmen des Programms "Chancen=Gleichheit. Gleiche Chancen für Frauen und Männer" Forschungsbericht der 1. Projektphase: Empirische Untersuchung. Verfügbar unter: www.soffi-f.de [05.04.2016].

Kavemann, B., Graf-van Kesteren, A., Rothkegel, S. & Nagel, B. (2016). Erinnern, Schweigen und Sprechen nach sexueller Gewalt in der Kindheit. Wiesbaden: Springer VS.

Klein, A. (2010). Jugend, Medien und Pornographie. In M. Schetsache & R. Berenike-Schmidt (Hrsg.), Sexuelle Verwahrlosung. Empirische Befunde - Gesellschaftliche Diskurse - Sozialethische Refelxionen (S. 167-184). Wiesbaden: Springer VS.

Klein, A. & Sager, C. (2010). Wandel der Jugendsexualität in der Bundesrepublik Deutschland. In M. Schetsache & R. Berenike-Schmidt (Hrsg.), Sexuelle Verwahrlosung. Empirische Befunde - Gesellschaftliche Diskurse - Sozialethische Refelxionen (S. 95-118). Wiesbaden: Springer VS.

Krahé, B., Bieneck, S. & Scheinberger-Olwig, R. (2004). Sexuelle Skripts im Jugendalter. Zeitschrift für Sozialpsychologie 35 (4), 241-260.

Makhija, N.J. (2014). The Relationship between Traumagenic Dynamic Responses towards Childhood Sexual Abuse, Ethnic Identity, Social Support, Trauma Severity, and Attitudes towards Interpersonal Relationships in Adolescent Females. Seton Hall University Dissertations and Theses. Paper 1969.

PRÄVIK (2016). Prävention von Reviktimisierung bei sexuell missbrauchten jugendlichen Mädchen in Fremdunterbringung, Projektlaufzeit 08/2014 - 01/2017, Forschungsprojekt im Rahmen der Förderlinie des BMBF "Sexueller Missbrauch in pädagogischen Kontexten". Eine Kooperation des Sozialwissenschaftlichen FrauenForschungsInstituts und des Deutschen Jugendinstituts.

Sager, C. (2015). Das aufgeklärte Kind. Zur Geschichte der bundesrepublikanischen Sexualaufklärung. Bielefeld: Transcript Verlag.

Sielert, U. (2014). Sexuelle Bildung statt Gewaltprävention. In K. Böllert & M. Wazlawik (Hrsg.), Sexualisierte Gewalt. Institutionelle und professionelle Herausforderungen (S. 111-121). Wiesbaden: Springer VS.

Sielert, U. & Henningsen, A. (2011). Sexualerziehung an Grundschulen. Zusammenfassung und Auswertung einer empirisch gestützten Situationsanalyse der Unterrichtspraxis und der Bedeutung sexualpädagogischer Aus- und Fortbildungsangebote für Lehrkräfte. Kiel. Verfügbar unter: https://www.sozialpaedagogik.uni-kiel.de/de/downloads/grundschulexpertise-kurzfassung-1_2015 [05.04.2016].

Simpson, J.A., Collins, W.A., Tran, SiSi & Haydon, K.C. (2007). Attachment and the Experience and Expression of Emotions in Romantic Relationships: A Developmental Perspective. Journal of Personality and Social Psychology 2007, Vol. 92, No. 2, 355-367.

Spiegel-online www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/interview-mit-juergen-von-der-lippe-frauenquote-und-gender-scheisse-a-999349.html [28.4.2016].

Stark, R. (2016). Präsentation anlässlich der Interdisziplinären Konferenz "Sexualisierte Gewalt in Bildungskontexten" vom 28. bis 29. Januar 2016 an der Justus-Liebig-Universität Gießen, veranstaltet vom Dekanat des Fachbereichs 03.

Tuider, E., Timmermanns, S., Müller, M., Bruns-Bachmann, P. & Koppermann, C. (2012). Sexualpädagogik der Vielfalt. Praxismethoden zu Identitäten, Beziehungen, Körper und Prävention für Schule und Jugendarbeit. Weinheim Basel: Beltz Juventa Verlag.

WHO (2006). Defining sexual health. Report of a technical consultation on sexual health, 28-31 January 2002. Genf. Verfügbar unter: www.who.int/reproductivehealth/topics/gender_rights/defining_sexual_health.pdf [05.04.2016].

Autorin

Barbara Kavemann
www.barbara-kavemann.de 

Prof. Dr. Barbara Kavemann ist Dipl. Soziologin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Sozialwissenschaftlichen FrauenForschungsInstituts Freiburg und Honorarprofessorin an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin.
Ihre Themenschwerpunkte sind Gewalt im Geschlechterverhältnis, sexualisierte Gewalt, sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, Prostitution und Menschenhandel. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die praxisbegleitende, evaluierende Forschung und der Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis.
Aktuell arbeitet sie (Sozialwissenschaftliches FrauenForschungsInstitut Freiburg gemeinsam mit dem Deutschen Jugendinstitut München) an einer Untersuchung von Möglichkeiten der Prävention von Reviktimisierung sexuell missbrauchter Mädchen in Fremdenunterbringung im Rahmen der Förderlinie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zu sexuellem Missbrauch in pädagogischen Kontexten.



alttext