[Forum Gemeindepsychologie, Jg. 16 (2011), Ausgabe 1]
Menschen am Rande der Gesellschaft
Auf der Jahrestagung 2011 war wieder einmal das Thema soziale Gerechtigkeit im Mittelpunkt der fachlichen Auseinandersetzungen. Es ist kein Zufall, dass daraus diverse Diskurse resultieren: Zum Beispiel wie es gelingen könnte, durch gemeindepsychologisch inspirierte Praxis, Konzeptentwicklung und entsprechende Positionierungen dazu beizutragen, gesellschaftliche Exklusionsprozesse auszugrenzen und Inklusion zu fördern. Neueste OECD-Daten belegen, dass die soziale Schere in Deutschland weiter anwächst, und internationale Forschungen zeigen, dass in entwickelten Gesellschaften soziale Ungleichheit die wichtigste Erklärung für eine Minderung von Lebensqualität, von Krankheit, von Bildungslücken und von Kriminalität ist (vgl. www.equalitytrust.org.uk).
Diese Ausgabe soll einen Einblick geben in die Arbeit mit Menschen, die an den Rand der Gesellschaft und des fachlichen Interesses gedrängt werden. Was passiert, wenn sich die davon betroffenen Menschen dort mehr oder weniger einrichten? Die Autorinnen und Autoren weisen auf die Möglichkeiten hin, die gemeindepsychologische Ansätze bieten, um in den Arbeitsfeldern mit diesen Zielgruppen für Ausgrenzungsprozesse zu sensibilisieren und ihnen entgegen zu wirken.
Mit folgendem Ausschnitt aus der gemeindepsychologischen Diskussion laden wir Sie als Leserin und Leser dazu ein, über "Menschen am Rande der Gesellschaft" nachzudenken.
Stefan Nickel und Kirstin Grosse Frie eröffnen die gemeindepsychologische Diskussion mit einer Positionierung zum Empowerment. In ihrem Artikel Warum nutzen Selbsthilfegruppen-Teilnehmer ambulante Dienste auf andere Weise als Nichtteilnehmer? stellen die Autoren "Ergebnisse ausgewählter Fragen des Gesundheitsmonitors" aus ihrer Studie vor und zeigen anhand des Engagements in der Selbsthilfegruppenszene den Erwerb besonderer Kompetenzen, die die Betroffenen dazu befähigen, sich gezielt Unterstützung durch professionelle Hilfen zu holen.
Edith Borchers geht in ihrem Artikel "Menschen am Rande der Gesellschaft" - Gedanken über Exklusion und Inklusion - Eröffnen Tagesstätten Lebensräume? den Begriffen "Exklusion" und "Inklusion" nach und bezieht ihre theoretische Recherche und Gedanken auf ein gemeindepsychiatrisches Versorgungsangebot: am Beispiel einer Münchener Tagesstätte, deren Konzept und praktische Umsetzung.
Peter Mosser entwickelt in seinem Beitrag Sexualisierte Gewalt und Armut Perspektiven, um die Leserin und den Leser für einen Zusammenhang zwischen Armut als Belastungsfaktor und einer daraus resultierenden höheren Gefährdung von Missbrauchsituationen zu sensibilisieren. Seine Thesen und Fragen können auch als Impulse für sozialwissenschaftlichen Forschungsbedarf verstanden werden.
Manchmal beschleicht einen als Gemeindepsychologin bzw. Gemeindepsychologe auch das Gefühl, eine Psychologie am Rande der Disziplin zu vertreten. In einer Gruppendiskussion wird deshalb der Frage nachgegangen "Wo ist die Heimat der Gemeindepsychologie?". Die Diskussion wurde von Christine Daiminger und Ralf Quindel moderiert und zeigt facettenreiche Interpretationen der Begrifflichkeit "Gemeindepsychologie", die sich auf die jeweiligen Disziplinen und Praxisfelder beziehen.
Ulrike Kluge schließt mit ihrem Beitrag (Ein-)Blicke in die Gemeindepsychologische Tagung im April 2011 in Mainz, "Um Verwirklichungschancen streiten - Gerechtigkeit für ein gutes Leben", ihrem persönlichen Eindruck zur Jahrestagung der GGFP in Mainz dieses Forum ab.
Wir wünschen eine konzentrierte Lesezeit und freuen uns auf eine interessante Diskussion.
Mike Seckinger & Edith Borchers Die HeftherausgeberInnen
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